Homestory

Homestory #51-52


Unaufhaltsam neigt sich das Jahr 2017 dem Ende entgegen. Was wird das neue Jahr wohl bringen? Zuallererst ein Jubiläum der besonderen Art: 50 Jahre ’68. Dieses Themas hat sich die Redaktion Ihrer kleinen, aber feinen Lieblingszeitung mit besonderer Begeisterung angenommen. Nicht, um Oma und Opa nostalgisch über heiße Barrikadennächte schwadronieren zu lassen, sondern um daran zu erinnern, dass in diesem Jahr Geschichte gemacht wurde, dass die moderne Warengesellschaft in Ost und West, Süd und Nord revolutionär in Frage gestellt wurde und dass die Befreiung der Körper, nicht zuletzt mittels Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll, einen Säkularisierungsschub auslöste, den die religiösen Autoritäten bis heute nicht verdaut haben. Es war »der Beginn einer Epoche«, wie die Situationisten proklamierten. Noch immer harrt die Gesellschaft des Spektakels, in der neuen Form, die sie seither angenommen hat, ihrer Aufhebung, noch immer ist sie eine Klassengesellschaft, in der die Arbeiter und Arbeiterinnen durch entfremdete Lohnarbeit eine Welt erschaffen, die nicht die ihre ist. Noch immer sind die Hoffnungen auf eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung uneingelöst. Und noch immer zeigen sich die Feinde einer befreiten Gesellschaft am deutlichsten in ihrer Feindschaft zu ’68.

Es sind zunächst einige Schlaglichter, die in dieser Ausgabe auf die weltweite Bewegung von ’68 geworfen werden – unmöglich, alles das, was sich damals in aller Welt ereignete, abzuhandeln. Aber es wird im kommenden Jahr noch ausreichend Gelegenheit geben, auf das, was fehlt, einzugehen. Auf den »Pariser Mai« etwa mit Barrikaden, Fabrikbesetzungen und dem ersten wilden Generalstreik der Geschichte, in dem die Strukturalisten (damals noch ohne die Vorsilbe »Post«) traurig eingestehen mussten, dass es nicht Strukturen sind, die auf die Straße gehen. Oder auf den »Prager Frühling«, als russische Panzer eine bürokratische Reform von oben niederwalzten, und die darauf folgenden Straßenkämpfe – der härteste Schlag, den der Stalinismus bis dahin hinnehmen musste. Die italienischen Universitätsbesetzungen und Arbeiterstreiks, die einen zehn Jahre währenden »schleichenden Mai« auslösten, der sich bis 1977 hinziehen sollte; die Märzkämpfe in Polen und die antisemitische Kampagne der Bürokraten, die ein Zusammenkommen von Arbeitern, Studenten und Intelligenz verhindern sollte. Und, und, und.

Um ’68 in angemessener Form darzustellen, hat sich das Layout-Ressort Ihrer kleinen, aber feinen Lieblingszeitung schamlos die – mittlerweile in einigen regressiven Kreisen schwer verpönte – kulturellen Aneignung betrieben: von der in jener Zeit stilbildenden Zeitschrift Agit 883. Wohl bekomm’s! Geschichte wird gemacht.