Das syrische Regime wird sich wohl noch länger halten

Warten, bis der Diktator Gift schluckt

Die jüngsten Syrien-Verhandlungen verliefen ergebnislos. Das Regime des syrischen Diktators Bashar al-Assad wird sich wohl noch länger halten können.
Kommentar Von

Was haben Bashar al-Assad und Slobodan Praljak gemeinsam? Kurz nachdem der kroatische ehemalige General in Den Haag wegen Kriegsverbrechen verurteilt worden war und im Gerichtssaal ein Fläschchen mit Zyankali getrunken hatte, wurde das Bild seines Suizids zum Internet-Meme in Facebook-Gruppen syrischer Jugendlicher. Ein Unbekannter hatte neben das Standbild des schluckenden Praljak per Photoshop ein Foto von Bashar al-Assad gestellt: Der etwas bedröppelt dreinblickende syrische Präsident hält ein Glas mit einer transparenten Flüssigkeit in der Hand, kurz bevor er zum Trinken ansetzt.

Man mag über den schwarzen Humor der syrischen Internet­gemeinde schmunzeln, doch ein Freitod des Diktators scheint für Millionen Syrerinnen und Syrer die einzige Hoffnung zu sein. Kein Luftschlag der USA wird Assad aus seinem Palast bomben, keine Rebellengruppe wird ihn gefangennehmen, kein UN-Vermittler wird ihn zur Ausreise ins russische Exil bewegen. Um ihn mehr als sechs Jahre nach Beginn des syrischen Bürgerkriegs loszuwerden, müsste der verhasste Präsident schon selbst Hand anlegen.

Ihre Machtfülle stellten Assad und seine Schergen jüngst während den Syrien-Verhandlungen in Genf zur Schau. Aus Protest gegen die »unerhörte« Forderung der syrischen Opposition, die Zukunft Syriens solle ohne Assad gestaltet werden, verschob die syrische Delegation des Unterhändlers Bashar al-Jaafari die Anreise. Auch nach ihrer Ankunft in der Schweiz blieben die Vertreter aus Damaskus stur, zu Verhandlungen mit der zerfaserten Opposition kam es nicht. Auch die achte Runde der Gespräche blieb ergebnislos. Von einer »verpassten Gelegenheit« sprach der UN-Gesandte Staffan de Mistura.

Eine »verpasste Gelegenheit« auch für Assad? Für den Diktator besteht derzeit nicht einmal ansatzweise die Notwendigkeit, auf die Forderungen der syrischen Opposition einzugehen. Die syrische Armee und mit ihr verbündete schiitische Milizen kontrollieren den Großteil des Landes westlich des Euphrat, darunter auch den bevölkerungsreichen Korridor von Aleppo bis Damaskus. Auch wenn Idlib im Norden und einige Dörfer rund um Deraa im Süden noch von bewaffneten Kräften der Opposition gehalten werden, so gilt doch: Die Mehrheit der Syrerinnen und Syrer lebt wieder unter der Knute Assads. Folglich verkündete der russische Präsident Wladimir Putin bei einem Kurzbesuch in Syrien Mitte Dezember auch den Sieg über den »Islamischen Staat« (IS) und die vom Westen unterstützten Rebellengruppen. Russland hat seine Mission in Syrien erfüllt und der Assad-Clan dürfte wohl noch jahrelang nach Moskau fliegen, um dort Füße zu küssen.

Es bleibt die Frage, welche Rolle Europa und die USA in Syrien noch spielen werden. Zwar unterstützt der Westen die kurdisch-arabische Allianz der Demokratischen Kräfte Syriens, die den IS aus Rakka vertrieben hat und östlich des Euphrat ihre Herrschaft konsolidiert. Doch was Assad betrifft, scheint man sich mit dem Status quo zu arrangieren. Selbst die in den vergangenen Jahren gebetsmühlenhaft wiederholte Forderung westlicher Politiker, Assad solle den Platz an der Staatsspitze räumen, wird mittlerweile nicht mehr von allen gestellt. So sind die USA offenbar bereit, den syrischen Diktator bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im Jahr 2021 gewähren zu lassen. Auch in so manch europäischem Kabinett mag man ähnlich denken, wäre ein halbwegs stabiles Syrien doch der perfekte Grund, die ersten Flüchtlinge wieder zurückzuschicken.

In den kommenden vier Jahren hätte das syrische Regime demnach also Zeit, seine Delegationen zu Verhandlungen nach Genf, Astana und Sotschi zu schicken und dort für lange Gesichter bei UN und Opposition zu sorgen. Ein Präsident, der Giftgas, Folter und Fassbomben gegen rebellische Untertanen einsetzt, braucht um seine Wiederwahl sicherlich nicht zu fürchten. Vielen Syrerinnen und Syrern bleibt nur die Hoffnung, dass Assad bei der nächsten Erkältung aus Versehen das falsche Mittelchen schluckt.