Die Rolle der Frauen bei den Protesten im Iran

Das gute Kopftuch

Seite 2 – Heimliche Bilder

 

Die Bilder auf mystealthyfreedom.net sind jedoch, wie der Name sagt, heimlich entstanden. Die Frauen schwenken ihre Tücher über dem Kopf vor Wiesen und Wäldern. Außer der Fotografin hat das womöglich niemand gesehen – und es ist nicht klar, ob die Bilder überhaupt im Iran entstanden sind. Selbstredend warf die Regierung Alinejad vor, die Bilder seien alle gefälscht.

Auch wenn nur 100 Frauen in einem Land von 80 Millionen ihr Kopftuch öffentlich abnehmen und sich dabei filmen, kann dies Sprengkraft entfalten.

Im Mai vergangenen Jahres erdachte Alinejad die White-Wednesday-Kampagne, bei der es nicht mehr um heimliche Freiheit, sondern um offenen Protest geht. Darin laufen Frauen ohne Kopfbedeckung Teheraner Straßen entlang, unterhalten sich dabei mit Passanten oder fahren im Auto umher. Viele zeigen ihr Gesicht, andere agieren vorsichtiger: Ein Film zeigt die Reaktion einer Krankenhausmitarbeiterin, die einer Frau hinter der Kamera erklärt, sie habe ohne Tschador keinen Zutritt. In einem anderem beschimpft ein Mullah unflätig die Kamerafrau. In allen Filmen wird die iranische Öffentlichkeit mit barhäuptigen Frauen konfrontiert.

Bis zu einem halben Dutzend solcher Filme werden wöchentlich auf Twitter gepostet. Das ist noch keine Massenbewegung, aber angesichts der Risiken, die diese Frauen auf sich genommen haben, enorm mutig. Für einen unverhüllten Kopf gab es bis Ende Dezember harte Strafen. Noch im Frühsommer vorigen Jahres erklärte etwa der Staatsanwalt der Stadt Sari, es gebe kein Pardon wegen des heißen Wetters. Frauen mit »schlechtem Hijab« – also auch verrutschter Kopfbedeckung – seien mit bis zu zwei Monaten Gefängnis oder 74 Peitschenhieben zu bestrafen. Zusätzlich werde ihr Fahrzeug beschlagnahmt.

Auch wenn nur 100 Frauen in einem Land von 80 Millionen ihr Kopftuch öffentlich abnehmen und sich dabei filmen, kann dies Sprengkraft entfalten. Es waren genau solche Protestformen, die dem Umsturz in Ägypten 2011 vorausgingen. Fotos von Menschen, die irgendwo auf Wiesen oder in Wüsten standen, und dabei Schilder hochhielten mit den Worten »Wir alle sind Khaled Said« – der junge Mann, der von Polizisten ermordet worden war.

Darum ist es keineswegs so, dass die »westlichen Medien vom Feminismus besessen sind«, wenn es um den Iran geht, wie etwa das Magazin Newsweek im Titel eines Hintergrundartikels fragt. Der Kopftuchzwang ist seit 39 Jahren weit bedeutender für Irans Frauen, als so manche in Europa und den USA es sich überhaupt vorstellen können. Richtig ist aber auch, dass der US-amerika­nische Fernsehsender Fox News danebenlag, als er zu den Protesten titelte: »Frauen führen im Iran«. Es gibt zwar auch jenseits der Mittwochsproteste eine Handvoll Bilder, die Frauen in der ersten Reihe der Demonstrationen zeigen. Aber die gibt es immer – nicht zuletzt lassen sie sich besser an die Medien verkaufen.