Die Ausstellung »Joel Meyerowitz. Why ­Color?« in Berlin

Die Bedeutung der Farbe

Seite 2 – Die Farben der Zeit übetreiben

Der damals von vielen Künstlern benutzte Kodak-Diafilm, der Kodachrome, bietet zwar einerseits eine natürliche Farbwieder­gabe, betont aber sehr stark die Rottöne. Er übertreibt genau die Farben der Zeit: die schicken Kleider, blinkenden Werbeschilder und die schillernden Limousinen. Angemessen auf diese Zeit konnte man nur reagieren, ­indem man ihre Farben in monochromen Flächen fixierte. Genau dies ­taten Eggleston, Shore und Meyerowitz: Sie fingen die saftigen Farben ein. Die Farbfotografie war keine Spielerei, sondern ein Weg, die Sechziger und Siebziger visuell zu repräsentieren und zu reflektieren.

Zunehmend verliert die Straße in Joel Meyerowitz’ Werk ihre Bedeutung. In den Sechzigern hatte er eine Reihe aus einem fahrenden Auto ­heraus fotografiert sowie seine Straßenszenen aufgenommen. Doch dies war nur praktikabel mit einer Kleinbildkamera. Er selbst nennt seine späteren Aufnahmen aus den siebziger und achtziger Jahren »kontemplativ«. Mit einer großen Kamera nahm er das Meer auf, die Menschen verschwanden immer mehr aus den Fotografien; wenn sie doch in ihnen zu sehen sind, dann in einer posierenden Haltung. Neben dem Meer tauchen auch andere große Flächen auf, wie zum Beispiel Parkplätze. Der Ort der Aufnahmen ist das Land, nicht die Stadt. Momente am Strand von Cape Cod, wehende Handtücher im Wind oder kleine Hütten. Meyerowitz’ frühere Spontanität geht ver­loren, aber die Bilder sind feiner, die Farbtöne haben mehr Abstufungen, es geht nicht mehr hektisch zu. Das Licht steht hier statt der Farbe im Vordergrund.

 

Nach dem jihadistischen Terroranschlag auf das World Trade Center 2001 war Meyerowitz einer der ersten an der Unglücksstelle. Er war der einzige Fotograf, dem es aufgrund seiner Beharrlichkeit gestattet war, das Areal zu betreten und zu ­fotografieren.

Joel Meyerowitz, NYC

Ein Moment wie aus dem Lehrbuch für den Straßenfotografen: New York City, 1965

Bild:
Joel Meyerowitz / Courtesy Howard Greenberg

Noch einmal geht er für eine große Serie nach New York: Nach dem jihadistischen Terroranschlag auf das World Trade Center 2001 war Meyerowitz einer der ersten an der Unglücksstelle. Er fotografierte für sein Werk ungewöhnliche Bilder, das strahlende Licht seiner Fotos in Manhattan 30 Jahre zuvor ist selten geworden. Die Fotografien zeigen Aufräumarbeiten, die Helfer der Feuerwehr und die Trümmer, meist bei Nacht. Er war der einzige Fotograf, dem es aufgrund seiner Beharrlichkeit gestattet war, das Areal zu betreten und zu ­fotografieren. Seine Bilder zeigen wieder Akteure, aber nicht als Teil eines zufälligen Moments, sondern als solidarische, helfende und mutige Menschen. Und wieder ist es die Farbe, die eine zusätzliche Ebene einzieht: dunkel und verwaschen sind sie, jedes Licht, das auf die Trümmer scheint, wirkt umso heller. Des­wegen Farbe: Neben dem reinen Sehen machen die dokumentarischen Fotografien etwas erfahrbar, was bei Graustufen übersehen werden ­würde. Die Welt ist eben doch farbig.

 

Die Ausstellung »Joel Meyerowitz. Why ­Color?« ist noch bis zum 11. März 2018 in der C/O Berlin zu sehen.