Die vietnamesische Parteiführung will die Macht wieder stärker zentralisieren

Die Partei hat immer recht

Die Kommunistische Partei Vietnams (KPV) versucht, ihre alleinige Führungsrolle zu stärken und Reformen zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Liberalisierung zurückzunehmen. Der Fall Trinh Xuân Thanh ist in diesem Kontext zu betrachten.
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Es war eine seltene Demonstration zivilen Ungehorsams in Vietnam. Autofahrer protestierten kürzlich in der südwestvietnamesischen Provinz Tiên Giang gegen die Eröffnung einer neuen Mautstelle auf einer Autobahn, indem sie mit der kleinsten Banknote des Landes, dem 100-Ðông-Schein, bezahlten. 100 Ðông sind rund 0,003 Euro wert. In Anbetracht der Mautkosten zwischen 35 000 und 140 000 Ðông hatte dies lange Verzögerungen an den Zollständen und Staus auf den Straßen zur Folge. Ministerpräsident Nguyên Xuân Phúc kündigte daraufhin Anfang Dezember an, die Zahlungen an der Mautstelle würden vorübergehend ausgesetzt.

Man könnte das als Erfolg der öffentlichen Proteste werten. Es stellt sich jedoch die Frage, warum sich die Zentralregierung in Hanoi dazu entschlossen hat, direkt einzugreifen und dieses relativ kleine Problem nicht der Justiz oder den lokalen Behörden zu überlassen, wie es eigentlich in der Verfassung vorgesehen ist.
Die Führung der Kommunistischen Partei (KPV) versucht in jüngster Zeit, die Macht wieder stärker zu zentralisieren, indem sie die lokalen Volksräte auf Bezirks- und Kommunalebene abschafft oder zusammenführt.

Mit den Đôi mói-Reformen von 1986 sollte Vietnam vorsichtig wirtschaftlich liberalisiert und für den Weltmarkt geöffnet werden, damit einher ging eine Dezentralisierung und ­Demokratisierung des Staates: Jede Verwaltungsebene von der Provinz bis zur Gemeinde hatte einen eigenen Volksrat und ein Volks­komitee. Die von der Bevölkerung gewählten Volksräte wählen die Mitglieder der Volkskomitees, die auf jeder Verwaltungsebene als ­Exekutive fungieren. Die Räte dienen als Kontrollorgane. Nun soll die Macht in die Hände der Parteiführung der KPV zurückgeführt werden, so das Ergebnis eines Treffens des Parteikomitees in Hanoi im Dezember 2017.

Deckmantel für die Zentralisierung ist eine umfassende Antikorruptionskampagne unter Leitung des Hardliners Nguyên Phú Trong, des Generalsekretärs der Partei. Tatsächlich hat die Dezentralisierung Korruption auf lokaler Ebene begünstigt. Allerdings ­sollen mit der Kampagne auch politische Widersacher ausgeschaltet werden – die Entführung des ehemaligen KPV-Funktionärs Trinh Xuân Thanh in Berlin ist hierfür das international bekannteste Beispiel (Jungle World 34/2017). Der Prozess gegen ihn hat diese Woche unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Hanoi begonnen. Dem einstigen Leiter des Staatsunternehmens PVC werden Veruntreuung, Missmanagement und Korruption vorgeworfen – ihm droht die Todesstrafe.

Die wichtigste Legitimationsquelle der Partei ist eine schnell wachsende Wirtschaft. Die Führung in Hanoi glaubt nun, das Wachstum zentral steuern zu müssen, und setzt wieder verstärkt auf planwirtschaftliche Elemente. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Liberalisierungen sollen rückgängig gemacht, Kritiker dieses Kurses innerhalb der Partei ausgeschaltet werden.

Doch auch in der Gesellschaft regt sich Widerstand, den die Regierung zwar immer weniger in den Griff bekommt, auf den sie jedoch ebenfalls mit der Bündelung der Macht in den Händen der Partei reagiert. Die Mautgegner werden nun überwacht – im Auftrag der Zentralregierung.