Die US-Linke befindet sich im Aufwind

Früchte des Zorns

Seite 2 – Wieder im Aufschwung

Kritik begleitet die Bewegung bereits so lange wie ihre melodramatische Selbstbezeichnung als »Widerstand«. Der Name erinnere, so eine verbreiteter Einwand, an die Résistance gegen die Nazis. Das sei eine Trivialisierung des Andenkens an den unter ungleich schlimmeren Bedingungen stattfindenden Partisanenkampf in den besetzten Ländern Europas gegen ein ungleich schlimmeres Regime und letztlich beleidigend. Das ist zweifellos richtig. Geäußert vom Breitbart-Autor Joel Pollak erschien diese Kritik allerdings bestenfalls scheinheilig, war diese maßlose Überstilisierung doch auch eine naheliegende Reaktion auf das schrille ­Getöse, das man von Donald Trump und seiner Anhängerschaft ­inzwischen gewöhnt war.

Der Vorwurf an die Anti-Trump-Bewegung, den Jeet Heer bereits im Mai 2017 in der New Republic formulierte, die Bewegung laufe ­Gefahr, genauso flach und phrasenhaft zu werden wie die Person, gegen die sie sich wendet, trifft hingegen häufig zu. Es sei gefährlich, so Heer, Maßnahmen, die im Einklang mit der Verfassung stehen und in demokratischen Prozessen beschlossen werden, mit Aktivitäten gleichzusetzen, die eben nicht mehr im Rahmen der Legalität stattfinden. Andere sympathisierende Kritiker bemängeln, die Bewegung lasse sich durch Aufregung über Trump-Tweets blenden, während seine Regierung diese als Ablenkung nutze, um unpopuläre Gesetzesvorhaben voranzubringen.

Die Bewegung kann eine ganze Reihe von Erfolgen verbuchen. Zentrale Bestandteile des politischen Programms der Regierung konnten verhindert oder zumindest erheblich verzögert werden.

Ein Jahr nach dem Women’s March hat die Bewegung entgegen aller Unken­rufe wenig von ihrem Schwung verloren. In ihr sind inzwischen eine Vielzahl der verschiedenen neuen politischen Impulse der Jahre 2015 und 2016 auf­gegangen, Black Lives Matter ebenso wie ein erstarkter Feminismus – und dies eben nicht nur in Form jener zweifelhaften Ideologie der safe space-Identitätspolitik. Dank Bernie Sanders kann man sogar als »Sozialist« erfolgreich sein – vor drei Jahren wäre das noch so undenkbar gewesen wie 2006 ein schwarzer Präsident im Weißen Haus. Die US-Linke befindet sich trotz der Schlappe der Wahl wieder im Aufschwung.

Allein Indivsible, eine bewusste linke Kopie der Tea-Party-Bewegung, hat deren Organisationserfolg längst um ein Vielfaches übertroffen. Die Tea-Party-Bewegung verfügte zu ihren besten Zeiten über etwa 800 bis 1 000 Ortsgruppen, also gerade einmal etwa 15 Prozent der derzeit bestehenden Indivisble-Gruppen, wie der britische ­Guardian am 9. November 2017 berichtete. Dass die Tea-Party-Bewegung das Fundament von Trumps Wahlerfolg darstellte, sollte aufhorchen lassen.

Die Anti-Trump-Bewegung konnte das umstrittene Steuerreformgesetz nicht verhindern, die republikanische Kongressmehrheit beschloss es im ­Dezember. Doch die Bewegung kann eine ganze Reihe von Erfolgen verbuchen. Zentrale Bestandteile des politischen Programms der Regierung konnten verhindert oder zumindest erheblich verzögert werden: An den Bau einer Mauer an der mexikanischen Grenze glaubt kaum noch jemand, mehrere Versuche, die als muslim ban ­bekannt gewordenen Einreiseverbote durchzusetzen, scheiterten vorläufig an heftigen Protesten und vor Gerichten, und die unter Präsident Barack Obama eingeführte Gesundheitsreform wurde bislang erfolgreich verteidigt. Auf kommunaler und einzelstaatlicher Ebene konnten Kandidatinnen und Kandidaten der Demokraten eine ­Reihe von Wahlsiegen erringen, während im Weißen Haus Chaos herrscht und republikanische Kongressabgeordnete um ihre Sitze bangen. Dieser Trend wird sich bis zu den midterm elections im November 2018 wohl noch verstärken und könnte die Republikaner ihre Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses kosten.

Das sind die Früchte der Zorns, die die Politik der derzeitigen Regierung bei vielen tagtäglich trägt. Dieser Zorn drückt sich inzwischen weit weniger ungezügelt aus als in den ersten Tagen, Wochen und Monaten nach Trumps Wahlsieg. Vielmehr gewinnt er langsam die Konturen eines formidablen linken Backlashs.