Dem besetzten Kulturzentrum »Rog« im slowenischen Ljubljana droht die Räumung

Haltbarkeitsdatum ungewiss

Seite 2 – Zweites Zuhause
Reportage Von

Nach den großen Veranstaltungen kehrte zunächst Ruhe ein. Das ehemals »Samo Rog« (Einhorn) genannte Gebäude, das eine Künstlerin nach einem ­Abkommen mit der Stadt für ein eigenes Atelier geräumt hatte, wurde neu belebt. Doch nicht nur bei Künstlerinnen und Künstlern ist das Rog beliebt. Es bietet auch eine wichtige Anlaufstelle für Flüchtlinge, die seit 2015 ebenfalls im Rog aktiv sind. Die Initiativen »Ambasada Rog« (Botschaft Rog) im Erd­geschoss und »Second Home« im ersten Stock organisieren Veranstaltungen, es gibt Slowenisch- und Englischunterricht, ein vielfältiges Angebot an Workshops, Filmprojektionen und Diskussionsrunden und täglich warmes Mittagessen, da dem Flüchtlingsheim eine Küche fehlt. Außerdem unterstützen die Initiativen Flüchtlinge bei Asylanträgen. Bei einer Tasse Tee dort erzählt ­Fabjan von der Arbeit der Gruppe »Ambasada Rog«: »Wir bereiten die Flüchtlinge auf die Interviews vor und helfen ihnen, wenn ihr Antrag abgelehnt wird. Wir stehen in Kontakt mit Anwälten und organisieren Treffen zwischen diesen und Flüchtlingen. Inzwischen haben wir auch eine Menge Informationen gesammelt, die wichtig sind, um Einspruch gegen die Ab­lehnung des Asylantrags einzulegen.«

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»Kapital und MOL (Stadt Ljubljana) Finger weg von autonomen Räumen«. Demonstration im Dezember

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Henrike von Dewitz

Ein besonderer Fall, der vor kurzem in ganz Slowenien für Furore sorgte, ist der des 45jährigen syrischen Flüchtlings Ahmad Shamieh, der seit Ende 2015 in Ljubljana lebt. Er hat Slowenisch ­gelernt, sich ein soziales Netz aufgebaut. »Er hat viele Freunde hier, ist ein sehr charismatischer Typ. Er betreibt seinen eigenen Herrenfriseursalon hier und ist so etwas wie das Herz dieses Ortes. Er kommt um neun Uhr morgens, macht Feuer, kocht Tee und Kaffee und die Leute kommen, um mit ihm zu sprechen; er schneidet Haare oder rasiert Bärte. Er ist wirklich wichtig für uns und er hat eine Menge Unterstützer, viele Menschen bezeichnet er als seine zweite Familie«, erzählt Fabjan.

Als der slowenische Staat Shamieh aufgrund der Dublin-Verordnung mit der Abschiebung nach Kroatien drohte, versammelte sich in der Nacht vom 13. auf den 14. November eine Gruppe von Unterstützern vor dem Flüchtlingsheim und konnte unter Mithilfe von zwei Abgeordneten die Abschiebung vorläufig verhindern. »Wir haben eine große Kampagne gestartet«, erzählt Fabjan. »Nun ist es ein großes politisches Thema und an manchen Punkten war es echt kritisch. Es schien, als würde die Regierung gestürzt nur wegen eines Mannes.« Der Fall erregte auch international Aufmerksamkeit. Shamieh war bis vor kurzem noch in einer Klinik, da er dem psychischen Druck der politischen und medialen Staatsaffäre nicht gewachsen war.

Im Rog hat auch der 23jährige Ahmad Adelian aus ­Afghanistan ein zweites Zuhause gefunden. Schon bei der Demonstration im Mai 2016 war er dabei, mit einem eigens gemalten Transparent. »Ich hatte eines vorbereitet, auf dem ›Rog forever, now for ­refugees‹ stand«, sagt er. In einem kleinen Raum mit einer Bibliothek hat er sich heute zum Malen zurückgezogen. »Das gemeinsame Ziel der Leute im Rog ist, dass sie diesen Ort sinnvoll nutzen wollen«, so Adelian. »Die Gruppe ›Ambasada Rog‹ unterstützt uns bei den Problemen, mit denen wir als Flüchtlinge zu kämpfen haben. Wir haben hier sonst niemanden, der uns hilft. Die Leute hier helfen uns, ohne eine Gegenleistung zu verlangen.«

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Der Gorilla wacht. Der »King Kong Plac« im Rog bietet Raum für Kung Fu und Boxen

Bild:
Henrike von Dewitz

Zwischen Begeisterung und Erschöpfung

Die Begeisterung für das Rog ist bei fast allen dort groß. »Wir arbeiten hier alle freiwillig und ohne Bezahlung. Das Projekt finanziert sich ausschließlich durch Spenden, aber keiner ist dazu verpflichtet zu spenden. Die Idee ist, ­einen Ort zu haben, an dem man kein Geld braucht, man kann hier seine Erfahrung einbringen. Wenn sich jemand mit Elektrik auskennt, kann er uns hier damit helfen«, sagt Sila. Kastelic, der das Rog schon seit 2009 besucht, meint dazu: »Dieser Ort sollte offen sein für jeden und nicht abhängig von dessen ökonomischem Status.« Sila ergänzt: »Unser gemeinsames Ziel ist es, dass dieser öffentliche Raum sinnvoll genutzt wird, und zwar so, dass er für die Leute im Rog und andere Einwohner von Ljubljana nützlich ist.«

Eine neue Initiative ist das Dokumentarfilmprojekt »Rogumentary«. Das Projekt begann Anfang November 2017 während des Festivals »Very Ordinary October Revolution« zum 100. Jubiläum der Oktoberrevolution. Alle zwei Wochen werden Dokumentarfilme gezeigt und Filmemacher eingeladen, um ihre Filme zu präsentieren. Auch das Sportprogramm soll ausgeweitet werden. »Vor fünf Jahren haben wir hier bereits die Turnhalle aufgebaut und Kung-Fu und Tai-Chi angeboten. Damals hatten wir schon vier Mal die Woche Training, später kamen noch Jiu-Jitsu und Mixed Martial Arts dazu. Im Februar wollen wir noch einen Kraftraum aufbauen und einen Ort zum Fechten, und wir haben einen Spezialisten für chinesische Medizin und Akupunktur«, so Sila.

Nur einige wenige haben vom ganzen Kampf um den Erhalt des Rog genug. Aljoša Dujmič engagiert sich zwei Jahre lang bei einer antirassistischen Initia­tive, die sich im Rog traf: »Ich habe bei den Asylanträgen geholfen. Außerdem war ich in einer Gruppe, die Aufklärungsarbeit in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Jungendzentren und Universitäten leistete. Wir haben dort Diskussionsrunden zusammen mit Flüchtlingen organisiert. Das war wichtig, denn sie wurden mit Populismus und falscher Medienberichterstattung konfrontiert.« Mittlerweile hat er sich ein wenig zurückgezogen. Er ist einer der acht Angeklagten vor Gericht. Offiziell ist er ausgestiegen, nachdem er im März 2017 eine Filmausblidung mit Flüchtlingen abgeschlossen hatte. Er sei nicht nur physisch, sondern auch ideologisch erschöpft nach sehr aktiven Jahren im Rog, sagt er. Die Unstimmigkeiten und Machtkämpfe zwischen verschiedenen Kollektiven und Individuen, die es in diesen schweren Zeiten im Rog gab, seien nicht für alle leicht zu verkraften und es sei nicht einfach, neuen Mut zu fassen und gegen den Druck der Stadt weiterzukämpfen.

Denn auch die Stadt versucht, ihr Handeln nach außen gut darzustellen. Im Dezember veröffentlichte sie ein Werbevideo darüber, wie die Fabrik in neuem Glanz erstrahlen könnte. Unklar ist ­allerdings, wie die Neugestaltung finanziert werden soll.
»Das Bezirksgericht wird versuchen, bis Frühling eine Entscheidung zu ­treffen, die danach an das nächsthöhere Gericht gehen wird und dann sicherlich im Sommer vom Bezirksgericht und in letzter Instanz an das Bundesver­fassungsgericht«, schätzt Poredoš das weitere Vorgehen ein. Dass jemand ­einen Prozess vor dem Verfassungsgericht gegen die Stadtverwaltung wagt, bezweifelt er aber. Im Herbst wird in Ljubljana gewählt. »Dann wird Janković sicherlich den Beginn der Bauarbeiten auf seine Agenda stellen. Spätestens im Sommer werden wir wissen, wie es weitergeht. Vielleicht wird die Schule für Kunst und Fotografie einziehen.« Der Prozess soll noch bis Anfang des Sommers andauern. Für Ende Januar ist eine große Benefizveranstaltung geplant und im März feiert man im besetzten Rog zwölfjähriges Jubiläum.
* Name geändert