In Niedersachsen soll ausgerechnet der Tag, der an den Antisemiten Luther erinnert, der »Zusammenarbeit der Religionen« dienen

Kein Feiertag zum Feiern

Die niedersächsische Regierung möchte den Reformationstag zum gesetzlichen Feiertag machen. Nicht nur die jüdischen Gemeinden protestieren.

Die meisten Ministerpräsidentinnen und -präsidenten deutscher Bundesländer haben eine Herzensangelegenheit: einen Großflughafen oder Großbahnhof bauen oder die Olympischen Spiele ausrichten. Für den Niedersachsen Stephan Weil ist es offenbar die Einführung eines Feiertags anlässlich des 500jährigen Jubiläums der Reformation. Seit Monaten wirbt der niedersäch­sische Ministerpräsident für den zusätzlichen gesetzlichen Feiertag, der der »Zusammenarbeit der Religionen« gewidmet sein soll – trotz des Widerstands der jüdischen Gemeinden und auch der katholischen Kirche.

SPD und CDU hatten die Einführung eines solchen Feiertags bereits im ­Koalitionsvertrag festgelegt.

SPD und CDU hatten die Einführung eines solchen Feiertags bereits im ­Koalitionsvertrag festgelegt. Beim Epiphaniasempfang der evangelischen Landeskirche im Kloster Loccum Anfang Januar sprach sich Weil erneut für den Reformationstag als Termin aus. Er hob die »verbindende Kraft der Reformation« hervor, gerade im Jubiläumsjahr 2017 habe die evangelische Kirche immer wieder Angebote zur interreligiösen Diskussion gemacht. In diesem Sinne sei der Reformationstag »ein gut vorstellbarer Anlass für einen gesetz­lichen Feiertag«.

Der Landesbischof von Hannover, Ralf Meister, wies darauf hin, dass selten zuvor ein evangelischer Festtag wie der 31. Oktober im vergangenen Jahr religionsübergreifend so viele Menschen erreicht habe. »Den Reformationstag in Niedersachsen als gesetzlich geschützten Feiertag zu verankern, halte ich für eine sinnvolle und gut zu begründende Idee«, hatte der Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig, Christoph Meyns, bereits im Dezember gesagt.

Andere finden diese Argumentation nicht überzeugend. Die katholische Konkurrenz ist beispielsweise wenig angetan. Gerade wenn man einen religiösen Gedenktag als staatlichen Feiertag einführen wolle, solle man einen Tag wählen, der für alle Religionsgemeinschaften akzeptabel sei, sagte der Leiter des katholischen Büros beim Land Niedersachsen, Felix Bernard. Der Reformationstag stehe aber für eine Trennungs­geschichte und somit für die Verschiedenheit der Konfessionen.

 

»Nicht nur fehlerhaft, sondern untragbar«

Der Präsident der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, schrieb Anfang Januar in einem Brief an alle Abgeordneten des niedersäch­sischen Landtags, er halte eine Entscheidung für den Reformationstag als gesetzlichen Feiertag »nicht nur für fehlerhaft, sondern für untragbar«. In dem Schreiben verwies er darauf, dass der Reformator die Vertreibung von Juden gefordert und sogar das Niederbrennen von Synagogen gutgeheißen habe. Die derzeitige »Vorfestlegung« des Ministerpräsidenten Weil bezeichnete Fürst als eine »nicht hinnehmbare Desavouierung der jüdischen Glaubensgemeinschaft«. Vor der Einführung eines Feiertages im Sinne der »Zusammenarbeit der Religionen« müsse man mit den jeweiligen Kirchen und Religionsgemeinschaften reden, deren nachvollziehbare Bedenken seien ernstzunehmen. Der von Weil gewünschte Feiertag sei mit einem »Judenhasser« verbunden und daher »eine Zumutung« für Juden.

Die evangelische Kirche in Niedersachsen steht keinesfalls allein da mit ihrer Befürwortung des Feiertags.

»Der Reformationstag als gesetzlicher Feiertag wäre für uns überhaupt nicht in Ordnung«, hatte Walter Blender, der Vorsitzende des Landesverbands der ­Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein, bereits im vergangenen Jahr gesagt. Luther sei zum Jubiläum der Reformation an manchem Ort »wie ein Messias« gefeiert worden, so Blender, während zugleich verschwiegen worden sei, dass er antisemitische Schriften verfasst habe. Auch in Schleswig-­Holstein hat das Regierungsbündnis von CDU, FDP und Grünen die Einführung eines weiteren gesetzlichen Feiertags vereinbart, der Reformationstag zählt dort ebenfalls zu den Favoriten.

Die evangelische Kirche in Niedersachsen steht jedoch keinesfalls allein da mit ihrer Befürwortung des Feiertags. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) zeigt sich grundsätzlich aufgeschlossen für den Vorschlag. »Wichtig ist, dass alle Religionsgemeinschaften sich dafür einsetzen, dass religiöse Feiertage nach ­ihrem Sinn gefüllt und gelebt werden«, sagte die Geschäftsführerin Emine Oğuz dem Internetportal evangelisch.de. Fatih Mutlu hat ebenfalls keine grundsätzlichen Einwände. Zwar gebe es »Gesprächsbedarf vor allem mit der evangelischen Kirche«, sagte der Vorsitzende der Islamischen Religionsgemeinschaft Schleswig-Holstein im November den Kieler Nachrichten. Ein »interkultureller oder interreligiöser Tag«, der alle ­Religionsgemeinschaften anspreche, sei aus seiner Sicht aber ein »schönes Entgegenkommen«.