In Chile kämpft eine Ökogruppe für die Einrichtung eines Parks im Cabritería-Tal

Beliebter grüner Fleck

Seite 2 – In Konkurrenz zum Hafen
Reportage Von

Zumindest existieren im Internet Videos und Karten, auf denen die mögliche Zufahrtsstraße durch das Tal bereits eingezeichnet ist. Zu denen, die großes ­Interesse an einer solchen Straße haben, zählt die staatliche Empresa Portuaria Valparaíso (EPV). Die Firma verwaltet den Hafen und arbeitet seit vielen ­Jahren in mehreren Etappen an dessen Ausbau. Ein Containerterminal soll ihrer Vorstellung nach dort entstehen, wo Cabritería die Küste erreicht. Geplant sind mehr internationaler Güterverkehr und eine Fußgängerzone mit Gastronomie und Shoppingmeile. Derzeit gibt es dort nur einen befestigten Gehweg und mobile Eis- und Getränkeverkäufer.

Joan Saavedra, ein Mitarbeiter der regionalen Verwaltung für Wohnungs- und Städtebau (Serviu), hält es für wenig wahrscheinlich, dass die Zufahrts­straße durch Cabritería kommt, weil das neue Containerterminal noch nicht zugelassen ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Terminal komme, sei klein, weil die internationale Marktlage nicht für ­einen derartigen weiteren Ausbau des Hafens spreche.

Die zuständige Stelle für den Bau der Zufahrtsstraße, das Ministerium für öffentliche Bauarbeiten (MOP), äußerte sich allerdings trotz mehrmaliger Nachfrage nicht zum Projekt. Auch die Hafenbaufirma EPV erklärte sich nach monatelang wiederholten Anfragen nicht dazu bereit, ein Interview zum geplanten Containerterminal zu geben; noch weniger zur Zufahrtsstraße, die nicht direkt in ihrem Verantwortungsbereich liegt.

 

Sie wollen das Cabritería-Tal bewahren. Ximena Paz Ugalde Díaz und Claudio Venegas Vergara

Bild:
Linda Schnepel

 

Ein merkwürdiges Verhalten bei Projekten, die den öffentlichen Raum ­betreffen. Ugalde hat dazu ihre eigene Theorie. Seit mehr als 20 Jahren werde der Ausbau des Hafens stetig vorangetrieben, sagt sie. Es gebe Studien aus den neunziger Jahren zur Grünfläche Cabritería, die belegen, dass dort eine per Verfassung geschützte heimische Pflanze, die chilenische Palme, wächst. »Warum also ist die Fläche immer noch nicht als geschützt ausgewiesen? Das ist doch merkwürdig. Weil da­hinter ein Interesse steht, dass mit dem Ausbau des Hafens zu tun hat. Stünde Cabritería unter Schutz, könnte man dort auch keine Zufahrtsstraße bauen.«

Das Spiel der Ökogruppe ist auch ­eines mit der Zeit. Hoffen, dass dem Hafenprojekt so schnell nicht zugestimmt wird, der Zuschuss von der Serviu fließt und die Grundstücksrechte von der Stadtverwaltung geklärt werden können.

Nicht nur die staatlich geförderten Straßenbaupläne stehen dem Parkprojekt entgegen. Die Stadt muss das ­Gelände in ihrem Flächennutzungsplan zunächst als Grünfläche vermerken, damit ein Park entstehen kann. Doch dafür, so José Flores, der Parkbeauftragte der Stadtverwaltung, müsse man zunächst die Eigentumsrechte klären. »Und das erfordert Zeit«, sagt Flores. Das Gelände gehört zu verschiedenen ­Teilen Privatpersonen, der Stadtverwaltung und der Serviu. Bei letzterer müsste die Stadtverwaltung Geld für die Errichtung eines Parks beantragen. Im April, so Saavedra, werde entschieden, für welche Projekte das Geld ver­geben wird. Cabritería hätte gute Chancen, weil Valparaíso bisher keinen ­richtigen Park habe. Aber wenn bis April kein konkreter Vorschlag für das Parkprojekt in Cabritería vorliege, gebe es kein Geld. In einem Jahr werden die Mittel wieder neu verteilt.

 

Werben für den Rückzugsort

Die Stadtverwaltung kann allerdings noch keinen Entwurf für den Park vorlegen. »Es gibt die Idee und wir sind willens, diesen Park einzurichten, aber aus Personalgründen konnten wir diese Idee bisher nicht weiterentwickeln«, entschuldigt sich der Parkbeauftragte Flores. Außerdem, fügt er hinzu, gebe es in der Stadt neben dem Mangel an ­öffentlichen Grünflächen und dem Problem mit der Müllentsorgung noch andere Mängel: »Zum Beispiel gibt es derzeit in Valparaíso circa 4 500 Menschen, die keinen Zugang zu fließendem Trinkwasser haben. Ihre Trinkwasserversorgung hängt von einem Tanklastwagen ab.« Angesichts solcher Lebensumstände wird auch klar, dass ein Park für einige Bürgerinnen und Bürger nicht ganz oben auf der Prioritätenliste steht.

Doch die Ökogruppe wird nicht müde, Menschen für ihre Idee zu mobilisieren. »Wir brauchen mehr soziale Wirkung, die wir nur durch mehr Leute gewinnen«, sagt Ugalde. Mittlerweile ist sie mit sieben weiteren Gruppen aus anderen Vierteln vernetzt, die sich für den Umweltschutz engagieren. Sie organisieren Informationsveranstaltungen und immer wieder Müllsammelaktionen. Ugalde und Venegas haben in ­ihrem Ökohostel eigens einen Praktikanten aus den USA eingestellt, der eine Karte mit Zugangsmöglichkeiten zum Gelände, also potentiellen Ein­gängen zum Park, erstellt hat.

Das aktuelle Projekt der Ökogruppe ist ein Cabritería-Wagen auf dem internationalen Kunstfestival in Valparaíso. Der Cabritería-Wagen wird im Viertel Juan Pablo II gestaltet. Ugalde und ­Venegas haben mit einigen Freunden Workshops für Kinder organisiert, in denen Dekoration, Schmuck und Tanzvorführungen vorbereitet werden. An insgesamt sieben Tagen schlägt die Ökogruppe oben im Viertel ihr Zelt auf, bunt geschmückt und mit Süßigkeiten und Getränken ausgestattet. Per Lautsprecher ruft Venegas das Tagesprogramm in Richtung der Wohnblöcke aus. Ugalde spricht ein paar Jungen im Teenageralter an, die dort herumhängen. Eine weitere Gruppe von Jungen unter zehn Jahren und Misael, der die beiden schon von anderen Aktionen kennt, stoßen dazu. Schließlich machen mehr als 15 Kindern das spielerische Programm der Ökogruppe begeistert mit. Auf kleinen Rallyes durch den Park entdecken sie das Gelände, lernen biologische Zusammenhänge kennen und freuen sich an der Natur. Als sich alle ausgetobt haben, malen sie Vogelbilder und essen Kuchen. Viele der Kinder, die heute mitgemacht haben, kannten diese Art Freizeitgestaltung vorher nicht.

Das Spiel der Ökogruppe ist auch ­eines mit der Zeit. Hoffen, dass dem Hafenprojekt so schnell nicht zugestimmt wird, der Zuschuss von der Serviu fließt und die Grundstücksrechte von der Stadtverwaltung geklärt werden können. Falls all dies nicht klappt, wollen sie den Park zumindest so bekannt gemacht haben, dass er bereits eine feste Institution in der Stadt ist, genutzt und geschätzt als Rückzugsort in der Natur. »Mein Traum ist, das ­Cabritería ein Park mit einem Wanderweg von der Küste bis nach ganz oben wird«, sagt Ugalde. Und wenn nicht? »Dann bleiben wir weiter Aktivisten.«