Die Türkei ist in Nordsyrien in kurdische Gebiete einmarschiert

Tausche Afrin gegen Idlib

Seite 2 – Die USA schützen die Kurden nicht

 

Wenn ein Drittel Syriens effektiv zum US-Protektorat geworden wäre, hätte dies die hart erkämpften Erfolge Wladimir Putins in Syrien in Frage ­gestellt. Die USA haben ihrem Verbündeten und nebenbei auch sich selbst geschadet. Nun stellt sich heraus, dass sie die Kurden gegen die Türkei nicht schützen können oder wollen. Die ­Türkei ist Nato-Mitglied, doch eine Verschlechterung der Beziehungen muss Erdoğan nicht fürchten, denn sie könnten kaum schlechter sein. Die US-Präsenz in der Region hängt ohnehin stark von der Luftwaffenbasis İncirlik in der Türkei ab, deren Nutzung Erdoğan jederzeit untersagen kann.

Versuche von kurdischen und linken Splittergruppen, gegen den Krieg zu demons­trieren, wurden möglichst im Keim ­erstickt.

Aus Sicht des syrischen Regimes ist eine starke US-Präsenz ebenso unerwünscht wie eine starke türkische Präsenz. Erst Ende Dezember hat Erdoğan den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad einen Terroristen genannt und zu dessen Sturz aufgerufen. So wie sich die Türkei in der bereits besetzten Zone eingerichtet hat, spricht alles dafür, dass Erdoğan einmal besetzte Teile Syriens nicht wieder zurückgeben will, jedenfalls nicht an Assad.

Der syrische Diktator bezeichnete die türkische Offensive als »Unterstützung für Terroristen«. Auch das iranische Regime äußerte sich deutlich kritischer als Russland. Doch viel ausrichten konnte Assad nicht. Immerhin ließ die syrische Regierung einen Konvoi mit Kämpferinnen und Kämpfern der YPG von Aleppo nach Afrin passieren.

In der Türkei hingegen fehlt es der »Operation Olivenzweig« nicht an ­Unterstützung. Die Religionsbehörde ließ für deren Gelingen Suren lesen und hängte zwischen die Minarette der Blauen Moschee in Istanbul eine rie­sige Leuchtreklame mit den Worten: »Die Seelen der Märtyrer sollen froh sein!« Mit »Märtyrern« sind die türkischen Gefallenen gemeint.

Kaum weniger enthusiastisch feierte die Parteiführung der größten Oppo­sitionspartei CHP die Offensive, sie krittelte lediglich, dass sie eigentlich längst überfällig gewesen sei. Versuche von kurdischen und linken Splittergruppen, gegen den Krieg zu demons­trieren, wurden möglichst im Keim ­erstickt. Auch in Medien, die Erdoğan sonst ab und an noch zu kritisieren ­wagen, gab es nur wenige Einwände.

Eine Ausnahme war der 76jährige Journalist Aydın Engin, der aufgrund einer Anklage wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation ohnehin mit einem Bein im Gefängnis steht. Er nahm in seiner Kolumne kein Blatt vor den Mund. So wie Ministerpräsident Bülent Ecevit nach der Invasion in Zypern 1974 als »Eroberer Zyperns« den höchsten Wahlsieg seiner Partei errungen habe, wolle Erdoğan als »Eroberer Afrins« bei den Präsidentschaftswahlen 2019 antreten, meinte Engin. Er verstehe nicht, warum diese kurdischen Kantone eine Gefahr für die Türkei sein sollen, aber er habe auch keinen einzigen Politiker oder Staat sagen ­hören, dass dies ein Angriffskrieg sei.