Das neue Album von Ty Segall »Freedom’s Goblin«

Rockiger Kokolores

Die schrullige Doppel-LP »Freedom’s Goblin« von Ty Segall ist ein beglückendes Potpourri der Rockgeschichte. Von Du Pham
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Zuweilen ist es schwer, als junger Mensch dem Dasein als Nachwuchsmusiker zu trotzen und sich der damit oft einhergehenden Vorschusslorbeeren würdig zu erweisen. Davon unbeeindruckt ist Ty Segall: 30 Jahre jung und ein durch und durch wohlgeratener Musiker. Auch ihm eilen Lobeshymnen voraus, er gilt als unermüdlich und umtriebig.

Selbst wenn man mit kritischem Ohr seiner Musik lauscht, Enttäuschung stellt sich nicht ein.

Zwölf Alben in zehn Jahren: Alle unterschiedlich, alle auf ihre eigene Art besonders. Unweigerlich stellt sich da die Frage: Was soll noch Neues kommen? Was kam, ist »Free­dom’s Goblin«, sein im Januar erschienenes Album.
»She loves you till you’re down« singt Segall im ersten Song »Fanny Dog«, es ist eine Ode an seine Hündin. Der Text gleicht einem Kinderreim, die glühenden Gitarrenlinien verwandeln diese Harmlosigkeit ­jedoch in einen ungezogenen Psychedelic Fuzz. Der Opener enthüllt, ­worum es auf dieser Platte geht, nämlich um die Freiheit, Kokolores zu machen.

Sampling ist normalerweise eine im HipHop verwendete Technik, ­Segall nutzt sie als Hommage an all die Musik, die man als Rock bezeichnen würde: Klassische Rock-Chops, Drei-Akkorde-Punk oder der von ihm re- etablierte Schredder-Garagenrock. Kurzum: Auch Soul und Funk scheut Segall nicht, wie auf seinem Cover von Hot Chocolates Disco-Klassiker »Every 1’s a Winner« zu hören ist. Eine Auslese aus düsteren Basslines und sleazigem Funk-Rock, die zu schwerfälligem Headbanging einlädt.

Segall bleibt auf den 19 Tracks in 75 Minuten selbstbezogen, er erschafft mit »Freedom’s Goblin« eine neue Version seiner selbst. Loyale Anhänger erhalten als Treueprämie eine Punk-Explosion. Beim Song »Meaning« errichtet Segall langsam etwas, das an die Musik der Feelies erinnert – die Kuhglocke im Hintergrund! –, dann aber ein Wechsel: Lautes Spiel, schriller Gesang, Segalls Frau Denée krächzt: »You’re filled with shit!« Das unverkennbare, von Segall innig geliebte Death-by-Audio-Fuzz-War-Pedal setzt ein und tut den Rest.

Aufgenommen wurde das Album von Steve Albini in fünf verschiedenen Studios sowie Segalls Garage in Eagle Rock (Los Angeles). Albinis Stil ist deutlich zu hören, die Segallsche Eigentümlichkeit geht dadurch aber nicht verloren. Bei »Alta« zum Beispiel: zärtlich mit Klavier beginnend, endet diese Liebeserklärung in ausgefransten Riffs. Dazwischen glückselige Gesangsmelodien und Orgel. Es gibt so einige Zärtlichkeiten bei Segall, sei es Beatles-Kitsch (»Cry Cry Cry«) oder tragisches Shanty (»The Last Waltz«).

Ob Ballade, Disco oder Stoner-Rock, zusätzlich zu seinem unbändigen Soundrepertoire, schreibt Segall so phantastische Songs, dass man ihm selbst das verstörende und bizarre »Despoiler of Cadaver« verzeiht, eine seltsame pornöse Elektronummer, die furchtbar und reiz­voll gleichermaßen ist. Segall kann zudem auch Hardrock (»She«), und zwar ohne die oft damit einhergehende breitbeinige Pose.

Der grundsympathische Schelm kündigte schon 2012 auf der LP »Twins« an, dass er Menschen mit seiner Musik irritieren möchte. Dies glückt ihm auf bezaubernde Weise.

 

Ty Segall: Freedom’s Goblin (Drag City)