Nach den rassistischen Anschlägen in Macerata bestimmt die Rechte in Italien die Wahlkampfthemen

Buhlen um die Rechten

Seite 2 – Solidarität mit dem Neofaschisten

 

Roberto Fiore, der 1978 die von Traini bewunderten rechte Terrorgruppe »Terza Posizione« und 1997 die neofaschistische Bewegung Forza Nuova mitbegründet hatte und letzterer bis heute vorsteht, solidarisierte sich offen mit dem jungen »Patrioten« und sicherte ihm anwaltlichen Beistand zu. Eine unangemeldete Solidaritätskundgebung von circa 50 Kameraden der Forza Nuova, die Traini am Ort seiner »Heldentat« die Ehre erweisen wollten, wurde von der Polizei zurückgedrängt, nachdem bereits tags zuvor eine Abordnung der neofaschistischen Bewegung Casa Pound durch das Zentrum von Macerata marschiert war. In der Hauptstadt huldigten Anhänger des Fußballclubs Lazio Rom mit Spruchbändern und Graffiti ihrem »Capitano Traini«. In den sozialen Netzwerken solidarisierte sich der Mob mit der Parole »Traini soll Präsident werden«.

 

Mit der Beschwichtigungsstrategie der Demokratischen Partei gegen die wachsende neofaschistische Gewalt scheint der antifaschistische Konsens, der die italienische Republik begründete, end­gültig aufgekündigt.

 

Vom Amt des Ministerpräsidenten träumt Matteo Salvini. In Umfragen liegt das rechte Bündnis aus Silvio Berlusconis Forza Italia (FI), der postfaschistischen Splitterpartei Fratelli d’Italia und Salvinis Lega Nord vor dem vom PD geführten Parteienbündnis. Stärkste Partei aber bleibt weiterhin der M5S und für keine der drei politischen Kräfte reicht es derzeit für eine Regierungsmehrheit. Es ist also eher unwahrscheinlich, dass sich Salvinis Traum von der Macht erfüllen wird. Doch die Reaktionen auf die rassistischen Anschläge in Macerata haben gezeigt, dass sich der Wahlkampf nun ganz auf rechte Wähler konzentriert und als Überbietungswettbewerb weitergeführt wird. Nachdem Berlusconi versprochen hatte, 600 000 Migranten unverzüglich abzuschieben, rechnete ihm Minniti die Erfolge der italienisch-libyschen Kooperation in der Abschottungspolitik vor. Casa Pound propagiert derweil die Entsendung der Armee: Libyen soll wieder italienische Kolonie werden.

Als Renzi am Wochenende über seine Facebook-Seite dazu aufrief, das Land nicht den »Extremisten« zu überlassen, ließ die Formulierung offen, ob er damit eine verklausulierte Warnung vor den neofaschistischen Bewegungen aussprach oder auch jene antifaschistischen Gruppen diffamieren wollte, die in Macerata gegen die fraktionsübergreifende Politik der Diskriminierung und Abschottung demonstrierten.

Unter dem Titel »Nie wieder Faschismus« zirkuliert seit Samstag ein Aufruf an die demokratischen Insti­tutionen, die vielen Gruppen, die sich offen auf den Faschismus beziehen und rassistische Hasspropaganda betreiben, gemäß der Verfassung strafrechtlich zu verfolgen. Dass diese Forderungen auf den Demonstrationen am Wochenende von Lidia Menapace und Tina Costa, zwei ehemaligen, heute über 90jährigen Partisaninnen, vor­getragen wurden, verlieh dem Appell wirkungsvoll Nachdruck. Mit der Beschwichtigungsstrategie der Demokratischen Partei gegen die wachsende neofaschistische Gewalt scheint der antifaschistische Konsens, der die italienische Republik begründete, end­gültig aufgekündigt. Den verschiedenen linken Gruppen, die sich zur Wahl stellen, werden zusammengerechnet derzeit weit weniger als zehn Prozent der Wählerstimmen prognostiziert – ganz abgesehen davon, dass die größte und aussichtsreichste Gruppe, »Liberi e uguali« (LeU), aus einer Linksabspaltung des PD hervorging, deren Abgeordnete in den vergangenen Jahrzehnten die revisionistische Vergangenheitspolitik und die repressive Immigrationsgesetzgebung mitverantwortet haben.