Assaf Orion, israelischer Sicherheitsexperte, über die Auseinandersetzung an der syrisch-israelischen Grenze

»Diese Runde hat Israel klar gewonnen«

Am frühen Morgen des 10. Februar steuerte eine iranische Drohne in israelisches Territorium. Israelische Apache-Hubschrauber konnten sie kurz nach dem Grenzübertritt abschießen. Im Anschluss antwortete die israelische Luftwaffe mit einem gezielten Angriff auf die iranische Kommandostation im syrischen Hinterland, von wo aus die Drohne gesteuert wurde. Nach Angaben eines Sprechers der israelischen Armee (IDF) wurde die Hälfte der syrischen Luftabwehrstellungen vollständig zerstört.
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Was steckt hinter der iranischen Drohne, die Israel infiltrieren sollte? Versprach sich das iranische Regime davon einen Propaganda-Coup, etwa anlässlich des 39. Jahrestags der Islamischen Revolution?
Die iranische Drohne, ein neuartiges Modell im Einsatz der Revolutionsgarden, sollte verschiedenen Zielen dienen. Sie sollte den Israelis zeigen, zu was der Iran in der Lage ist und wie mutig man in Teheran mittlerweile geworden ist. Denn bislang agierte der Iran gegen Israel immer durch verschiedene Mittlergruppen, allen voran die Hizbollah. Diese Auseinandersetzung war der erste direkte Kontakt mit dem Iran. Es hätte natürlich die Stärke des Iran demonstriert, sowohl nach Innen als auch in der Region, wenn man Bilder direkt aus Israel hätte präsentieren können. Doch die Drohne kam bekanntlich nicht wieder zurück. Diese Mission ist also gescheitert.

Israel greift aus der Luft immer wieder Ziele in Syrien an, die die Sicherheitsinteressen des Landes gefährden könnten. Was lief am frühen Morgen des 10. Februar anders als sonst?
Oft hat Israel in der Vergangenheit Ziele in Syrien bombardiert, meist natürlich ohne Vorwarnzeit für Bashar al-Assad. Diesmal konnte sich das syrische Militär vorbereiten. Man konnte wohl ahnen, dass auf den Abschuss der Drohne ein Angriff der israelischen Luftwaffe folgen würde. So kam es dann auch. Die Syrer reagierten mit massivem Beschuss verschiedenster Raketentypen auf die acht israelischen Flugzeuge. Eines davon wurde durch eine der Luftabwehrraketen zum Absturz gebracht. Israel hat seit über 30 Jahren keinen Kampfjet mehr im Gefecht verloren. Ein anderer Punkt, der eine neue Qualität in die Auseinandersetzungen gebracht hat, ist die direkte Konfrontation mit dem Iran. Und auch Syrien hat von den Israelis so heftige Angriffe abbekommen wie seit 1982 nicht mehr.

 

»Syrien hat von den Israelis so heftige Angriffe abbekommen wie seit 1982 nicht mehr.«

 

Wie wird die israelische Luftwaffe sich zukünftig bei Einsätzen in Syrien verhalten? Wird man etwa nicht mehr so schnell reagieren können, aus Angst vor der syrischen Luftabwehr?
Israels Luftwaffe ist einer der wichtigsten Pfeiler der Selbstverteidigung. Daran wird sich nichts ändern. Und auch nach dem Abschuss des Kampfflugzeugs wurde ohne zu zögern mit präzisen Luftschlägen reagiert. Weite Teile der syrischen Luftabwehrstellungen konnten so ausgeschaltet werden. Auch wurden anscheinend iranische Revolutionsgarden bei den israelischen Angriffen getötet. Eine Antwort des Irans darauf blieb aus. Man kann also sagen: Diese Runde der Auseinandersetzungen hat Israel trotz des Verlustes eines eigenen Flugzeugs klar gewonnen.

Ist es für Israel nicht trotzdem besorgniserregend, dass der Iran und Syrien direkt an der Nordgrenze so selbstbewusst agieren?
Politisch und militärisch haben die beiden Länder in letzter Zeit sicher Selbstvertrauen gewonnen. Der IS wurde aus Syrien weitgehend vertrieben und der Iran hat sein Einflussgebiet in der Region ausweiten können. Die einzigen, die bislang machen konnten, was sie wollten, waren die Israelis, die in den letzten zwei Jahren Dutzende Male Ziele in Syrien bombardierten. Das ist natürlich etwas, das man in Damaskus und Teheran unbedingt stoppen möchte. Aber Israel kommuniziert ganz offen, was seine roten Linien sind. Die feindlichen Parteien wissen also, wie weit sie gehen können.

Was sind diese roten Linien für Israel?
Israel hat sich zum Ziel gesetzt, dass die Hizbollah keine modernen Waffentypen, insbesondere zielgenaue Raketen, aus dem Iran bekommt. Auch will man eine permanente iranische Militärpräsenz besonders in Grenznähe verhindern – das wird und kann Israel nie tolerieren. Damit bleibt das Konfliktpotential natürlich hoch. Denn auf der anderen Seite werden die Iraner ihren Einfluss in Syrien nicht aufgeben und daher war das, was wir gerade sehen, nur der Beginn einer langwierigen Auseinandersetzung, die immer wieder aufs Neue ausgetragen werden wird.

Wird sich die Lage in der nächsten Zeit noch verschärfen?
Alle involvierten Parteien, also Israel, der Iran, Syrien und die Hizbollah, wollen derzeit keinen großflächigen Krieg. Jedoch können auch Konflikte innerhalb der schiitischen Fraktionen zu waghalsigen Manövern führen, die in dieser Region ganz schnell eskalieren und zu einer Situation führen können, die nachher nicht mehr kontrollierbar ist. Dabei kann der Konflikt auch sehr schnell von Syrien und dem Libanon auf den Iran überschwappen. Das hätte dann aber tatsächlich unvorhersehbaren Konsequenzen.

 

 

Assaf Orion hatte verschiedene ranghohe Positionen im israelischen Geheimdienst. Heute forscht er am Institute for National Security Studies in Tel Aviv. Das Institut ist einer der weltweit führenden Think-Tanks mit dem Schwerpunkt Naher Osten.