Twitter hat Tausende Accounts mit Verbindung zur »russischen Trollfabrik« gelöscht

Imaginäre Freunde aus Russland

Seite 2 – Unauffällige Trolle
Networld Von

 

Die Trolle fielen nämlich nicht auf. Viele der gern verbreiteten Erkennungsmerkmale für solche Accounts – kein Profilbild, willkürliche Zeichen statt Usernamen, wenige Tweets, kaum Follower – trafen auf sie nicht zu, sie verhielten sich völlig unauffällig. Selbst Jack

Dorsey, der CEO von Twitter, hatte zwei Tweets eines Troll-Accounts weiterverbreitet. @Crystal1Johnson stellte eine schwarze Frau dar, die sehr engagierte Postings zu Hashtags wie #BlackLivesMatter verfasste. Die neuesten Erkenntnisse über die IRA und ihre Troll-Aktivitäten ändern jedoch nichts daran, dass die User der sozialen Netzwerke weiterhin voller Begeisterung alles retweeten, was ihnen politisch in den Kram passt.
Schon kurz nach dem Amoklauf an der Marjory Stoneman Douglas High School in Florida verbreiteten Twitter-Accounts gefälschte Fotos der Jugend­lichen, die sich vehement für eine Verschärfung der Waffengesetze einsetzen. US-Verschwörungstheoretiker verbreiteten, sie seien gar keine Schüler, sondern »bezahlte Staatsschauspieler«, die immer dann eingesetzt würden, wenn eine staatliche false-flag-Aktion der Öffentlichkeit einen Anschlag oder Amoklauf vortäusche, um »uns unsere Waffen wegzunehmen«.

 

Als Twitter am 14. Februar Zigtausende Bot-Accounts löschte, waren viele User ganz und gar nicht dankbar dafür, nicht länger auf Trolle hereinzufallen. Unter dem Hashtag #TwitterLockOut beschwerten sie sich vielmehr über den Verlust von Followern 

 

Unterstützung bekamen diese real existierenden Sympathisanten der Alt-Right dann von einem russischen Troll. Ein kurz zuvor angemeldeter, ­allerdings aus Versehen mit einem nach Russland weisenden Geotag versehener Account namens »Laguna ­Beach Antifa« schrieb, dass einer der von CNN interviewten Schüler in Wirklichkeit ein alter Klassenkamerad von ihm aus einer ganz anderen Highschool sei. »Er wollte damals schon Schauspieler werden«, betonte er. Als Beleg diente ein offenkundig gefälschtes Jahrbuchfoto.

CNN interviewte daraufhin einige derjenigen, die die eindeutige Fälschung weiterverbreitet hatten. Nein, sagten diejenigen übereinstimmend, die sich vor der Kamera befragen ließen, mit Russen hätten sie gar keinen Kontakt gehabt. Alle, mit denen sie ihre Beiträge teilten, seien »aufrechte Amerikaner«. Auf die vorgelegten ­Beweise reagierten sie so, wie es auch Trump getan hätte: »Das sind Fälschungen der Lügenpresse. Und jeder weiß das, uns legt sie nicht mehr herein.« Die Reaktionen von auf Trolle hereingefallenen Linken fallen übrigens ähnlich aus.

Als Twitter am 14. Februar Zigtausende Bot-Accounts löschte, waren viele User ganz und gar nicht dankbar dafür, nicht länger auf Trolle hereinzufallen. Unter dem Hashtag #TwitterLockOut beschwerten sie sich vielmehr über den Verlust von Followern – manche hatten bis zu 5 000 verloren – und ­darüber, dass das alles eine perfide Unterdrückung der Meinungsfreiheit und eine Attacke auf »Konservative« sei. Dem unweigerlich einsetzenden Hohn und Spott darüber, dass da in den meisten Fällen doch nur imaginäre Freunde abhanden gekommen seien, wurde wie bei Twitter üblich mit Hass begegnet – um einander zu trollen und zu bedrohen, werden Fake-Accounts im Grunde gar nicht benötigt.