Die Wahlkampagne der rechten Parteien in Italien ist von Angriffen auf politische Gegner und Minderheiten geprägt

Squadristi ohne Schwarzhemd

Seite 2 – Movimento 5 Stelle: stärkste Partei mit Problemen

 

Gleichzeitig versperrt die Reinszenierung historischer ideologischer Aus­einandersetzungen der siebziger Jahre den kritischen Blick auf die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse. Anders als die sogenannten Postfaschisten in den neunziger Jahren distanzieren sich die verschiedenen rechtsextremen Parteien heutzutage nicht mehr von der Vergangenheit, sondern bezeichnen sich offen als »Erben des Faschismus«. Mit ihrem Nationalchauvinismus und ihrem Rassismus reagieren sie auch auf gegenwärtige Globalisierungsprozesse und Migrationsbewegungen. Ihre Sehnsucht nach natio­naler Souveränität und kultureller Identität, zusammengefasst in der Forderung nach »sicheren Grenzen«, teilen auch Liberale und Demokraten.

Das mag auch den anhaltenden Erfolg des Movimento 5 Stelle (M5S) erklären, der sich seit seiner Entstehung »weder rechts noch links« verortet und mit nationalistischen Tönen Zustimmung aus beiden Lagern bekommt. Zuletzt erklärte etwa die M5S-Abgeordnete Roberta Lombardi, sie wünsche sich für Latium, ihre Region, mehr Touristen und weniger Migranten, die die lokale Wirtschaft belasteten.

In den letzten vor der Wahl veröffentlichten Umfragen ist der M5S die stärkste Partei gehandelt, allerdings scheint das angestrebte Ziel einer absoluten Mehrheit in weiter Ferne. Im Bemühen, staatsmännisches Format zu gewinnen, hat der Spitzenkandidat, Luigi Di Maio, den Nimbus des Antipolitikers eingebüßt. Hinzu kommt, dass inzwischen fast täglich neue Fälle aufgedeckt werden, in denen Abgeordnete gegen den sogenannten Moralkodex des M5S verstoßen haben, womit die beanspruchte moralische Überlegenheit über die »Politikerkaste« endgültig hinfällig scheint. Befürchtet wird, dass die allgemeine Desillusionierung die Zahl derjenigen erhöht, die überhaupt nicht mehr zur Wahl gehen, und eine geringe Wahlbeteiligung am ehesten dem Rechtsbündnis aus Silvio Ber­lusconis Forza Italia (FI), Melonis FdI und Salvinis Lega Nord nützen könnte.

Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten könnte Salvini allerdings nur erheben, wenn die Lega innerhalb des Bündnisses stärkste Partei würde. Das wird aber weiterhin der Forza Italia prognostiziert, für die Berlusconi wegen seiner Verurteilungen zwar nicht mehr selbst kandidieren, wohl aber weiter Wahlkampf machen kann. Spekulationen, wonach Berlusconi nach der Wahl das Bündnis mit den Rechtsextremen gerne zugunsten einer großen Koalition mit Matteo Renzis PD aufkündigen würde, erübrigen sich angesichts der letzten Wahlprognosen. ­Beide Parteien sind zu schwach, um zu zweit auf eine Regierungsmehrheit hoffen zu können. Am wahrscheinlichsten sind für die Zeit nach der Wahl deshalb »deutsche Verhältnisse«, das heißt monatelange Gespräche über mögliche Koalitionen.