Frauenhäuser in Deutschland sind überlastet, den Betreiberinnen fehlt das Geld

Frauenhäuser in Not

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Daraus ergibt sich der heutige Zustand, den Herold so beschreibt: »Jedes der bundesweit 360 Frauenhäuser hat eine eigene Art der Mischfinanzierung.« Als »Leuchttürme« bezeichnet Herold Berlin und Hamburg, die pauschal Personal und Sachkosten finanzieren. In Schleswig-Holstein ist das sogar im Landesgesetz festgeschrieben. In anderen Bundes­ländern jedoch, vor allem in den reichen und konservativen süddeutschen Ländern Bayern und Baden-Württemberg, gibt es das nicht.

»Die Finanzierung der Frauenhäuser ist bundesweit ein Flickenteppich«, meint auch Britta Schlichting, die in Mannheim und Heidelberg für die ZIF tätig ist. »Bei uns in Baden-Württemberg sind wir komplett tagessatzfinanziert. Durch diese Einzelfallfinanzierung haben wir einfach keinen niedrigschwelligen und unkomplizierten Zugang. Wir müssen gleich als Erstes fragen: Wie sind Sie denn finanziert?« Wenn die Schutzsuchende Hartz IV beziehe, sei das am besten, so Schlichting.

»Wenn sie sagt, sie ist Studentin, muss ich erst einmal nachschauen, ob wir uns das überhaupt leisten können.« Daraus folgten auch praktische Probleme: »Da muss ein Haus bloß mal einen Wasserschaden haben, schon kann man zwei Zimmer nicht benutzen und hat dann einen Mietausfall.« Das Frauenhaus in Böblingen beispielsweise musste bereits vor einigen Jahren schließen, weil es sich nicht selbst finanziell tragen konnte.

»Natürlich ist die Istanbul-Konvention da eine große Chance«, sagt Schlichting. »Vielleicht können wir jetzt erreichen, was wir schon lange fordern: eine einzelfallunabhängige Finanzierung, niedrigschwelligen und bedarfsgerechten Zugang. Das wäre auch ein Bürokratieabbau und es gäbe finanzielle Planungssicherheit, unabhängig von der Belegung.«

So sind sich die beiden Dachverbände darin einig, dass es ohne bundesweit einheitliche Pauschalfinanzierung nicht besser wird. »Eigentlich müsste Deutschland sein Ausländerrecht ändern«, sagt Herold. Denn Deutschland behält sich vor, einen eigenständigen Aufenthaltsstatus für ausländische Ehepartner deutscher Staatsbürger an eine dreijährige Ehebestandszeit zu knüpfen. So »verwehre man vielen Migrantinnen und geflüchteten Frauen den Zugang zu dringend notwendigen Hilfen«, heißt es in einer Stellungnahme des Vereins Frauenhauskoordinierung. Die FHK fordert, der Rechtsanspruch auf Schutz vor Gewalt und Hilfe gegen diese müsse allen Personen ­unabhängig von ihrem Status zustehen. Sie will eine Änderung der Leistungsgesetze, um so den Anspruch der einzelnen Personen auf Entgeltfinanzierung zu sichern.

»Wir sind auch dafür, dass diese Vorbehalte aufgehoben werden«, sagt Britta Schlichting von der ZIF. »Aber wir finden, dass die Wohlfahrtsverbände nur eine bessere rechtliche Grund­lage für die einzelfallbezogene Finanzierung fordern. Wir wollen den Fokus weg von der Nachweispflicht und der Einzelfallfinanzierung, weil da die Gewalt immer noch als individuelles Problem der einzelnen Frau gesehen wird. Aber häusliche Gewalt ist nach wie vor ein Resultat der Gesellschaftsstruktur und damit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.«