Die Serie »Portlandia« muss vor linken Kritikern verteidigt werden

Toni und Candace haben keinen Laden mehr

Seite 2 – Die narzistischen Kränkungen der Zuschauer

 

2015 schon hatte es Blogeinträge auf dem Portal von The Portland Mercury gegeben, in denen der Serie allerlei Übel unterstellt wurden: »Portlandia« sei schuld an der Gentrifizierung in der Stadt, Schwarze wären nicht repräsentiert, alles in allem sei die Serie nicht witzig. Einer dieser Einträge war überschrieben mit dem Satz: »Fuck you, Portlandia!« Das, was Carrie Brownstein schon 2012 in einem Interview gesagt hatte, bewahrheitete sich nun: »Ich habe das Gefühl, dass Menschen aus Portland die Show weniger verstehen als alle anderen.«

Die heftigen Reaktionen auf die Serie lassen sich nur durch die narzisstischen Kränkungen erklären, die sie ihren Zuschauern in aufklärerischer Absicht antut: Es gibt kein zeitgenössisches, angesagtes Phänomen, das den Machern von »Port­landia« entgeht: Therapie, Online-Dating, Crowdfunding – all das wird von den Figuren euphorisch ausprobiert, und endet meist im Fiasko. So wie in dem Sketch, in dem das Rentner-Ehepaar Kris und Malcolm keine Kleidung kaufen will, die in einem Sweatshop hergestellt wurde. Kurzerhand beauftragen sie eine Schneiderin, ihnen ihre Klamotten zu schneidern – mit fatalen Folgen: Kris und Malcolm sind ungeduldig, setzen die Schneiderin unter Druck, als Ergebnis ist der Sweatshop nicht mehr im entfernten China, sondern in ihrem Keller beheimatet, in dem rund um die Uhr gearbeitet wird. Viele kleine Filme der Serie funktionieren nach diesem Eskalationsprinzip.
Die gesamte Serie schreit: Es gibt kein Außen. Jeder Ausweg, der von den Figuren aus ihren Verhältnissen gesucht wird, führt eigentlich wieder nur zu mehr Anpassung. Es geht bei »Portlandia« um das ständige Scheitern der Nonkonformisten an der Realität. Dass die Serie keine linke Agitation betreibt (was zwangsläufig zu Humorlosigkeit führen würde) nimmt man ihr übel. Die Präsidentschaft Trumps wird beispielsweise in der neuen Staffel nicht zum exponierten Thema eines Sketches, dafür sieht man aber in einer Zwischeneinblendung einen Vorgarten mit einem Schild, auf dem geschrieben steht: »Nobody for President«. Subtilität statt Plakativität, das ist das Rezept des Formats.

Apropos Trump: Voriges Jahr verglich die Autorin Monica Drake, wieder auf Portland Mercury, »Portlandia« mit dem amtierenden Präsidenten. »Ich bin mir nicht sicher, ob es zwischen der Verspottung der Charaktere in ›Portlandia‹ und Trumps Verspottung einer Journalistin mit Behinderung einen so großen Unterschied gibt, denn Trump denkt, dass er witzig ist. Es ist alles dieselbe Mentalität.« Selbstverständlich gibt es da einen Unterschied: »Portlandia« denkt von sich nicht nur, witzig zu sein. »Portlandia« ist witzig, ganz anders als der Präsident. Diesem geht es tatsächlich um die Verächtlich­machung von Personen. In »Portlandia« aber geht es um Empathie: die Figuren sind nicht nur überzeichnet, um den Witz zu generieren, sondern um einen Effekt zu erzielen, der die Unterscheidung zwischen tatsächlich existierenden Menschen und ihren Karikaturen deutlich macht. Die Macher zeigen keine Überzeichnung von Menschen, um sie dem Spott preiszugeben, nein, sie zeigen sie, weil durch diese Überspitzung die Vermittlung zwischen Gesellschaft und Individuum überhaupt erst sichtbar wird, wie nämlich Zwänge und Ideologien auf das Individuum wirken – Wahrheit hat immer etwas Übertriebenes. Die oft tragiko­mischen Wendungen, welche die Geschichten nehmen, verhindern ­gradezu den menschenverachtenden Spott. In allen Figuren, die man in »Portlandia« begleitet, erkennt der Zuschauer auch Seiten seiner selbst, und daraus zieht die Serie ihre kritische Kraft. Portland ist in der Serie zwar ein Ort voller Verrückter – aber er erscheint immer noch als der Ort auf der Welt, in dem es sich am besten leben lässt.