Im Iran organisiert das Regime erneut ein antiisraelisches Festival

Der antisemitische Countdown

Das iranische Regime veranstaltet einen weiteren antiisraelischen Ideenwettbewerb. Die deutsche Politik und Wirtschaft stört das nicht.

Das Timing war etwas unangenehm für Joe Weingarten (SPD). Just in der Woche, als der Abteilungsleiter im rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium mit einer Delegation durch den Iran reiste, kündigte das Regime sein nächstes Israel-Hassfestival öffentlich an. Ende Februar gab Hossein Amir-Abdollahian in Teheran die Ausschreibung zum »First International Hourglass Festival« bekannt. Die Veranstaltung steht in einer Reihe mit der Holocaustleugnerkonferenz von 2006, der »New Horizon«-Konferenz mit Holocaustleugnern und 9/11-Verschwörungstheoretikern im zweiten Amtsjahr von Präsident Hassan Rohani und diversen »Holocaust­karikaturen«-Wettbewerben in den vergangenen Jahren. Das Symbol des Festivals ist ein Davidstern, der sich beim Durchlaufen einer Sanduhr auflöst. Bis zum 22. April werden Einreichungen entgegengenommen, die das erhoffte Ende Israels in spätestens 25 Jahren illustrieren und die abgrundtiefe Bösartigkeit des »bestialischen« und »unmenschlichen« Zionismus und seiner Unterstützer dokumentieren sollen.

Das Motto des Festivals bezieht sich auf eine Rede des obersten geistlichen Führers Ali Khamenei, der 2015 angekündigt hatte, das »zionistische Regime« werde bis zum Jahr 2040 endgültig ausgelöscht sein. 2017 ließen die herrschenden Ayatollahs daraufhin in Teheran eine Installation aufstellen, welche die Tage bis zum Endsieg über den jüdischen Staat zählt.

Während das iranische Staatsfernsehen begeistert über die rheinland-pfälzische Unternehmensbörse in Karaj in der Provinz Alborz berichtete, wurde auf der Website des Festivals gegen das »kindermordende«, »rassistische« und »koloni­alistische« »fake regime« namens Israel gehetzt. Konfrontiert mit Kritik, griff der Sozialdemokrat Weingarten auf die alte Leier von »Wandel durch Annäherung« zurück – eine Phrase, die von deutschen Politikern zur Rechtfertigung der Iran-Politik seit nunmehr knapp 40 Jahren benutzt wird, um stets eine griffige Formel zur politischen Camouflage der Förderung des deutschen Handels mit dem Iran zur Hand zu haben. Der hat aber zu keinerlei Wandel, sondern lediglich zur Sta­bilisierung des Ayatollah-Regimes geführt.

 

Den Kampfbegriff der »Islamo­phobie« hat das Regime mittlerweile mit dem Neologismus einer »Iranophobie« komplettiert.

 

Der Festivalpromoter Amir-Abdollahian ist ein Berater des Präsidenten des iranischen Pseudoparlaments, Ali Laridjani, und Generalsekretär der »­Internationalen Konferenz zur Unterstützung der palästinensischen Intifada«. Sowohl unter Präsident Mahmoud Ahmadinejad als auch unter Hassan Rohani war er als stellvertretender Außenminister des Iran tätig. Der »executive secretary« des Festivals, Mahdi Qomi, prahlt mit einer angeblichen Kooperation mit 2 400 antiisraelischen NGOs in Nord- und Lateinamerika, Europa und Ostasien. Um welche NGOs es sich dabei handelt, ist bisher allerdings unbekannt.

Das Festival bildet den Auftakt zu den alljährlichen al-Quds-Feierlichkeiten, bei denen seit 1979 weltweit für die Vernichtung Israels demonstriert wird. Die Abschlusszeremonie des »Hourglass Festival« soll am »International Quds Day« stattfinden, der dieses Jahr bereits Anfang Juni zelebriert wird. Am Quds-Tag zeigt sich die Kon­tinuität des eliminatorischen Antizionismus des Regimes unter Rohani: Wie seine Vorgänger nimmt auch der derzeitige iranische Präsident seit seinem Amtsantritt 2013 regelmäßig an den Aufmärschen gegen Israel teil, das in den Ankündigungen des Wettbewerbs konsequent als das »Quds-occupier regime« bezeichnet wird.

 

 

 

Die vorgegebenen Themen des »Hour­glass Festival« fassen zentrale Elemente des eliminatorischen Anti­zionismus des Regimes zusammen. Die Titulierung Israels als »Krebsgeschür« zitiert eine gängige Formulierung Khameneis, die 2017 dem iranischen Propagandasender Press TV zufolge auch vom freundlichen Gesicht des Regimes, dem dauerlächelnden Rohani, benutzt wurde, nachdem er den jüdischen Staat zuvor schon als »alte Wunde im Körper des Islam« und »eiternden Tumor« bezeichnet hatte. Die Kennzeichnung Israels als »fake regime« greift Rohanis Brandrede von 2013 auf, in der er gegen das »künstliche Regime von Israel« wetterte, dessen angebliche Gründung durch die Kolonialmächte zu einer »Verdoppelung der Probleme« im Nahen Osten geführt habe: »Über die vergangenen 65 Jahre« könne »die Spur der Zionisten in jeder Plage und jedem Problem der Region aufgespürt werden«.

Mit den Attacken auf den jüdischen Staat als »künstliches Gebilde« und »fake regime« rekurrieren Rohani und andere Regimevertreter auf ein klassisches Stereotyp des antisemitischen Antizionismus. Hierbei wurde zunächst in der nationalsozialistischen Ideologie der zwanziger und dreißiger Jahre, in den sechziger und siebziger Jahren dann auch in der arabisch-nationalistischen und linken antizionistischen Propaganda die antisemitische Gegenüberstellung von »raffendem« und »schaffendem« Kapital durch das Gegensatzpaar von »organischen«, »echten« Staaten und »künstlichen Gebilden« ergänzt.

Beim »Hourglass Festival« geht es auch um das »Quds-occupier regime« als einen der Hauptprotagonisten der »Islamophobie«, ein Kampfbegriff zur Delegitimierung jeglicher Kritik an der islamischen Herrschaftspraxis im Iran, den das Regime mittlerweile durch den mäßig originellen Neologismus einer »Iranophobie« komplettiert hat. dieser Begriff wird unter anderem vom amtierenden Präsidenten gegen Kritiker der islamischen Militärtheokratie verwendet.

Dass für das iranische Regime nicht nur alles Zionistische böse, sondern auch alles Böse zionistisch ist, hatte Khamenei voriges Jahr dokumentiert, als er die westlich-liberalen Vorstellungen von Geschlechtergleichheit zur »zionistischen Verschwörung« erklärte. Der Zionismus wird in der Ideologie und Propaganda des iranischen Regimes nicht als ein gewöhnlicher politischer Gegner attackiert, sondern als Grundübel, das für nahezu alle Probleme in der Welt verantwortlich sei und dessen Auslöschung den Weg zur Erlösung bereite. Diese Streben soll unter anderem durch die beständige Abfolge von antisemitischen Konferenzen, Festivals und Wettbewerben unterstützt werden, die dem Regime offenbar umso notwendiger erscheinen, je mehr Demonstrierende ihm in den Straßen der iranischen Städte die Gefolgschaft aufkündigen.

Kritik an dem erneuten antiisraelischen Event im Iran ist in Deutschland bisher kaum zu vernehmen. Der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck fragte via Twitter das Auswärtige Amt und den Regierungssprecher, welche Auswirkungen das »Hour­glass Festival« auf die Beziehungen Deutschlands zum iranischen Regime habe und ob es eine Stellungnahme der Bundesregierung dazu gebe. Von einer Antwort ist bisher nichts bekannt.

Der deutsche Botschafter in Teheran,  Michael Klor-Berchtold, traf sich nur eine Woche nach Ankündigung des »Hourglass Festivals« mit dessen Hauptpromoter Amir-Abdollahian und dessen Chef Laridjani. Klor-Berchtold twitterte über eine »good discussion« – ob der Wettbewerb zum Ende Israels überhaupt Erwähnung fand, ist unklar. Kein Wunder, dass sich auch die deutsche Wirtschaft unbeeindruckt zeigt von dem neuerlichen antiisraelischen Spektakel: Am 11. März fand in Teheran ein »German Iranian Business Forum« mit Vertretern von Siemens, Bosch und der in Hamburg ansässigen Europäisch-Iranischen Handelsbank statt. Und Anfang Mai will eine Wirtschaftsdelegation des 1934 gegründeten Nah- und Mittelostvereins in den Iran fahren.