Fahrverbote können die Qualität der Luft verbessern

Durchfahrt verboten

Städte und Kommunen versuchen mit Luftreinhalteplänen, Schadstoffbelastungen zu reduzieren. Dafür muss der motorisierte Verkehr nicht nur besser verteilt, sondern auch reduziert werden.

In insgesamt mindestens 52 Straßen verschiedener Städte sind Menschen außerordentlichen Luftbelastungen ausgesetzt. Denn in diesen Straßen wurden zu hohe Konzentrationen von Stickstoffdioxiden gemessen. Diese Gase entstehen überall, wo Kohle, Öl, Gas oder Holz verbrannt werden. In Städten gehen dem Umweltbundesamt zufolge 60 Prozent der Stickoxide auf den ­motorisierten Straßenverkehr zurück. Die durchgängige Nichteinhaltung von Schadstoffgrenzwerten, die seit dem Jahr 2010 europaweit in Kraft sind, ­beschäftigt derzeit Politik, Verwaltung und Gerichte genauso wie Autofahrer und Umweltschützer.
Weil die Grenzwerte nun so bald wie möglich nicht mehr überschritten ­werden sollen, ist die Verwaltung dazu verpflichtet, Luftreinhaltepläne auf­zustellen und umzusetzen.

Seit einer Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dreht sich die öffentliche Debatte jedoch um den angeblich kurz bevorstehenden Ausnahmezustand. »Deutschland geht durch die Diesel-Hölle«, schreibt Bild in einem aufgeregten »Manifest«. Eine realistische Berichterstattung über die Dieselfahrverbote träfe eher den Kern der Wahrheit, als die stete Warnung, die vor allem die Mobilität von Dieselbesitzern in Gefahr sieht.

Bei der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ging es nämlich um Konzepte, in denen Kommunen beschreiben, wie sie die Luftqualität ­verbessern wollen. Dazu sind sie verpflichtet. Betroffenen und Umwelt­verbänden steht hingegen der Klageweg offen, wenn Städte Schutzmaßnahmen nicht in Erwägung ziehen oder zu wenig für eine Reduzierung der Luftschadstoffe unternehmen. Gegen die Luftreinhaltepläne von Stuttgart und Düsseldorf wurde von Umweltverbänden bereits geklagt, weil sie keine ausreichenden Maßnahmen für die Einhaltung der Stickstoffdioxidgrenz­werte vorsehen. In beiden Fällen entschieden die Vorinstanzen, dass weitergehende Schritte zum Gesundheitsschutz notwendig sind und das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese Urteile.

Im Luftreinhalteplan der Stadt Düsseldorf aus dem Jahr 2013 ist von »verkehrsverflüssigenden Maßnahmen«, von der »grünen Welle« und von ­einer Ausweitung und der Umweltzone und weiteren Zufahrtsbeschränkungen zu lesen. Der öffentliche Nahverkehr soll durch mehr Busse und einen Ausbau des Angebots gefördert werden. Bewusstseinsbildende Maßnahmen sollen dazu führen, dass die ­Menschen künftig häufiger mit dem Rad fahren. Die Stadt Düsseldorf stellt auch fest, dass »die Grenzen der Radverkehrsförderung in den langfristig hohen Kfz-Verkehrsmengen lägen, die durch den hohen Pendleranteil entstünden«. Die auf lokaler Ebene getroffenen Maßnahmen seien nicht ausreichend. Bundesweite Regelungen wie die geringe Steuer auf Dieselkraftstoff und die Hintergrundbelastung durch die Energieerzeugung verhinderten eine ausreichende Reduzierung der Emis­sionen.

 

Fahrverbote sind pragmatische verkehrstechnische Lösungen.

 

Die Stadt Stuttgart ist mit der dritten Fortschreibung ihres Luftreinhalteplans im Jahr 2017 ambitionierter. Unter anderem mit einem deutlichen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, besserer ­Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger und einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h auf Steigungsstrecken sollen ab 2020 die Grenzwerte eingehalten werden. Allerdings hält man auch hier am Grundsatz fest, dass Verbes­serungen für den öffentlichen Nahverkehr und den Radverkehr nicht zu ­Lasten des Verkehrsflusses der Pkw gehen dürfen.

Der Gemeinderat entschied sich gegen Fahrverbote für alte Dieselfahrzeuge. Vielmehr soll zur ­Einfahrt in die Stadt ab 2020 die »blaue Plakette« nötig sein. Bis dahin sollen ohnehin nur noch 20 Prozent der zugelassenen Autos die strengeren Abgasnormen nicht erfüllen und somit vom Einfahrtsverbot betroffen sein, so das Kalkül der Stadt. Da eine »blaue Plakette« für relativ saubere Dieselautos von der Bundesregierung jedoch nicht gewollt ist, bleibt fraglich, ob die Stuttgarter Pläne je angeführt werden. Das Verwaltungsgericht ordnete daher auch in diesem Fall Nachbesserungen am Luftreinhalteplan an.

Es könnte schließlich der Stadt Hamburg eine Vorreiterrolle zukommen, da dort ab Ende April das Fahrverbot in einer Hauptstraße am Bahnhof Altona für alte Dieselautos gelten soll. Anlieger sind von dem Verbot ausgenommen. Für alle anderen Fahrer mit alten Dieselfahrzeugen ist es zumutbar, den etwa 500 Meter langen Streckenabschnitt nicht zu befahren. Auf Ausweich­routen seien keine problematischen Verschlechterungen zu erwarten, ­analysieren die Macher des Konzepts. Aufgrund weiterer Maßnahmen im ­gesamten Stadtgebiet sollen bis spätestens 2025 auch in den am stärksten ­belasteten Straßen keine Schadstoffgrenzwerte mehr überschritten werden. Weitergehende Fahrverbote wurden geprüft und als unverhältnismäßig verworfen.

Die Sperrung einzelner Straßenabschnitte oder einer ganzen Zone für Dieselautos trägt im begrenzten Rahmen dazu bei, die Emissionen zu re­duzieren. Fahrverbote sind pragmatische verkehrstechnische Lösungen. Die besonders von Luftverschmutzung betroffenen Straßen stellen aus Sicht der klassischen Verkehrsplanung eigentlich genau die Routen dar, auf denen der Verkehr ungehindert fließen soll. Die Beschleunigung des Wegs zwischen Arbeitsstätte und Wohnhaus auf ausgebauten Verkehrswegen, verbunden mit einer besseren Luftqualität in den Wohngebieten abseits der großen Straßen, ist die Utopie der modernen Verkehrsplanung, für welche die räumliche Trennung von Arbeit und Freizeit unhinterfragbar geworden ist.

Man versucht inzwischen durch die Förderung von alternativen Mobilitäts­formen und einer dichteren und gemischten Bebauung der Städte, den Autoverkehr zu reduzieren. Die Beispiele der Luftreinhaltepläne zeigen aber, dass die Möglichkeiten begrenzt sind. Die Abhängigkeit vom Auto ist nach wie vor groß. Während die Verkehrsberuhigung eine Privilegierung für die Wohnstraßen in den Vorstädten zum Ziel hat, handelt es sich bei den Fahrverboten eher um eine Reduzierung und Umverteilung des Verkehrs zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern der Innenstädte. Es handelt sich um praktikable Lösungen auf lokaler Ebene, die demokratischen Prin­zipien folgen.

Als Adorno vergeblich eine Fußgängerampel an der Frankfurter Senckenberganlage forderte und den Autoverkehr als »Drohung des Todes« für alle Fußgänger bezeichnete, hoffte er nicht auf die Besinnung der Autofahrer. Vielmehr seien »verkehrstechnische und polizeiliche Maßnahmen dringend notwendig«, so der Philosoph in einem Leserbrief im Jahr 1962. Die ­Polizeigewerkschaften sehen das anders. Sie lehnen dauerhafte Kontrollen von Dieselfahrverboten ab und schätzen die Regelung als nicht durchsetzbar ein, da es an Personal fehle. Es bleiben vorerst wohl nur die verkehrstechnischen Maßnahmen übrig. Die Städte Ludwigshafen und Ulm haben den Rückbau von großen innerstädtischen Durchfahrtsstraßen, die sowieso eher Autobahnen ähneln, beschlossen. Es wäre vernünftig, wenn weitere Städte diesem Beispiel folgen würden.