Ein Wissenschaftler des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts pflegt Kontakte ins neurechte Milieu

Forschen für die rechte Parallelgesellschaft

Ein Wissenschaftler des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts pflegt Verbindungen zur Neuen Rechten. Seinen jüngsten Beitrag für das Magazin »Sezession« sieht die Institutsleitung besonders kritisch.

Das »Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung« (HAIT) hat in diesem Jahr Grund zum Feiern. Es wurde vor 25 Jahren auf Beschluss des sächsischen Landtags an der Technischen Universität Dresden gegründet und widmet sich eigenen Angaben ­zufolge »vor allem der systematischen Untersuchung des Nationalsozialismus und des Kommunismus«. Einen Namen machte sich das Institut allerdings nicht nur mit seinen Forschungen, sondern auch mit Skandalen eines Mitarbeiters.

Der Politikwissenschaftler Lothar Fritze arbeitet seit 1993 am HAIT. 1999 warf er in einem Gastartikel in der Frankfurter Rundschau dem Widerstandskämpfer und Hitler-Attentäter Johann Georg Elser »moralisches Ver­sagen« vor. Elser hatte über Monate hinweg mühsam einen Teil einer Säule im Münchner Bürgerbräukeller ausgehöhlt, um darin eine Bombe zu platzieren. Adolf Hitler sprach dort jedoch am 8. November 1939 deutlich kürzer als von Elser erwartet. Die NS-Führung war bereits abgereist, als die Bombe detonierte. Acht Menschen starben, 60 weitere wurden verletzt, darunter zahlreiche Nazis. Fritzes Vorwurf: Elser hätte sich nicht vom Tatort entfernen dürfen, sondern die Bombe entschärfen oder den Saal evakuieren lassen müssen. Die Tat sei nicht das »Resultat einer kenntnisreichen, sachorientierten und nüchternen politisch-moralischen Kalkulation« gewesen. Elser habe »­seine politische Beurteilungskompetenz überschritten«, so Fritze.

Trotz heftiger interner Machtkämpfe durfte Fritze am Institut bleiben. Zu seinen damaligen Unterstützern gehörte auch der stellvertretende HAIT-Direktor Uwe Backes, einer der bekanntesten Vertreter der umstrittenen Extremismusthese, derzufolge »Extremisten« von rechts und links die bürgerliche Demokratie bedrohen. In den folgenden Jahren wurde es deutlich ruhiger um Fritze.

Im November 2016 gab er dann dem neurechten Magazin Sezession anlässlich der Veröffentlichung seines Buchs »Der böse gute Wille. Weltrettung und Selbstaufgabe in der Migrationskrise« ein Interview. Kürzlich, Ende Januar, trat der Politikwissenschaftler als Gast der Winterakademie des neurechten Instituts für Staatspolitik (IfS) in Sachsen-Anhalt auf und referierte dort über »die Faszination des Marx’schen Denkens«. Im Dezember 2017 hatte Fritze in der Ausgabe 81 der Sezession, die vom IfS herausgegeben wird, einen Artikel zur deutschen Flüchtlingspolitik veröffentlicht.

 

»Wir forschen über totalitäre Bestrebungen, aber nicht mit ihnen.« Thomas Lindenberger, Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung

 

Den Inhalt bewertet die Initiative »IfS dichtmachen« mit eindeutigen Worten: »Fritze spricht dort im verschwörungstheoretischen Duktus von einer ›politisch-medialen Elite‹ und einer ›unkontrolliert andauernden Invasion‹ von Flüchtlingen. Neben diesen neurechten ideologischen Versatzstücken, in denen dem passiven Individuum eine aktive, alles steuernde ›höhere Macht‹ entgegengesetzt wird, finden sich in dem Text noch weitere Belege dafür, dass Fritze mit der Sezession das für sein Weltbild richtige Publikationsorgan gefunden hat.« Die Initiative sieht in dem Artikel ein klares Bekenntnis Fritzes zur Ideologie des IfS.

In seinem Beitrag führt der Wissenschaftler unter anderem aus, dass sich »das Volk« auflöse, »wo Parallelgesellschaften entstehen«, und »der liberale Staat darauf angewiesen ist, eine hinreichende kulturelle Homogenität seiner Bevölkerung zu schützen«.

Für Thomas Lindenberger, seit Oktober 2017 Direktor des HAIT, fällt der Beitrag unter das Recht auf Meinungsfreiheit, wie er auf Anfrage der Jungle World sagte. Zwischen dem HAIT und dem Wissenschaftler gelten Lindenberger zufolge jedoch wegen Fritzes Beiträgen in neurechten Medien und Auftritten bei neurechten Organisa­tionen verschiedene Vereinbarungen zu solchen privaten Tätigkeiten. »Sollte er bei seinen privaten Auftritten auf seine Tätigkeit im Institut hinweisen, ist das nicht zulässig«, so Lindenberger zur Jungle World.

In Ausgabe 82 der Sezession, die im Februar erschienen ist, reichte Fritze eine schriftliche Fassung seines Vortrags »Über die Faszination des Marx’schen Denkens« nach. Er beschreibt in dem wissenschaftlichen Aufsatz das Denken von Karl Marx, ­zitiert dazu etwa Schriften wie »Das Kapital«, die »Kritik des Gothaer Programms« und das »Manifest der kommunistischen Partei«. Zu Fritzes Forschungsaufgaben am HAIT zählt auch eine Studie zum Marxismus. Lindenberger bestätigt dies: »Er arbeitet an einer philosophischen und politikwissenschaftlichen Schrift über das Denken von Karl Marx, das ist eine langjährige Studie.

Die Publikation zum Thema Marx’sches Denken in der Sezession ist für uns in der Tat unerfreulich.« Der Anspruch des Instituts sei es, in der scientific community zu veröffentlichen, also in wissenschaftlichen Fachjournalen. »Das Institut ist nicht daran interessiert, dass diese Forschungsergebnisse in der Neuen Rechten publiziert werden. Wir forschen über totalitäre Bestrebungen, aber nicht mit ihnen«, so der Direktor des HAIT. Ob die Publikation Konsequenzen nach sich ziehen wird, müsse noch geprüft werden.

Die Initiative »IfS dichtmachen« sieht in dem Beitrag ebenfalls eine neue Qualität und urteilt: »Das Hannah-Arendt-Institut muss sich unserer Meinung nach fragen lassen, ob es weiterhin mit seiner wissenschaftlichen Reputation hinter den Publikationen ihres Mitarbeiters bei rechtsex­tremen Organen stehen will.«