Proteste gegen die Silbermine El Escobal in Guatemala

Giftiges Silber

Seite 2 – Im Ausnahmezustand
Reportage Von

Immer wieder kommt es zu gewalttätigen Übergriffen auf Minengegner und deren Unterstützer. Nachdem vier Mitglieder des Parlaments der Xinka am 17. März 2013 als Beobachter an einem Volksentscheid in der Gemeinde Los Volcancitos teilgenommen hatten, wurden sie auf ihrem Heimweg entführt. Einer der Entführten, Exaltación Marcos Ucelo, wurde am Folgetag tot in einem Hotel aufgefunden. Während einer Protestversammlung vor den ­Toren der Silbermine in San Rafael Las Flores ereignete sich nur einige Wochen später am 27. April ein weiterer Übergriff. »Auf einmal öffneten sich die Tore der Silbermine, die Sicherheitskräfte traten heraus und begannen auf uns zu schießen«, erinnert sich Luis García, der damals unter anderem Schussverletzungen im Gesicht erlitt und den Angriff nur knapp überlebte. Neben García verletzten die Sicherheitskräfte der Silbermine sechs weitere Versammlungsteilnehmer, einige von ihnen schwer. Die Minenbetreiber hatten zunächst behauptet, die Sicherheits­kräfte hätten lediglich Gummigeschosse verwendet.

Die Art der Schussverletzungen und aufgefundene Patronen widerlegten ­jedoch diese Darstellung des Vorfalls. Außerdem belegte ein Mitschnitt ­eines Telefonats, dass der Leiter des Sicherheitsdienstes, Alberto Rotondo Dall’orso, die Schüsse auf die Demonstrierenden angeordnet hatte. Das Unternehmen änderte daraufhin seine Version und behauptete, Rotondo habe eigenmächtig und unter Verstoß gegen die Dienstvorschriften gehandelt. Rotondo, der ­zunächst unter Hausarrest gestanden hatte, setzte sich nach Peru ab, als die Vollstreckung der Untersuchungshaft gegen ihn angeordnet wurde. Dort wurde er kurze Zeit später gefasst, er wartet derzeit auf seine Auslieferung. Es waren die zu seiner Überwachung eingesetzten Polizeibeamten, die ihm die Flucht ermöglichten.

Aufsehen erregte der Fall, als die Geschädigten des Angriffs im Juni 2014 eine zivilrechtliche Klage in Kanada gegen Tahoe Resources Inc. einreichten. Kurz nach dem Angriff des Sicherheitsdienstes verhängte der damalige Staatspräsident Guatemalas, Otto Pérez Molina, im Mai 2013 den Ausnahme­zustand in der Region und ein Großaufgebot von 500 Polizisten und 3 000 Soldaten nebst Panzern rückte in die ­Gegend der Silbermine ein.

 

Schmutzige Geschäfte

Aufsehen erregte auch das Attentat auf Alex Reynoso und seine 16jährige Tochter Topacio Reynoso am 13. April 2014. Topacio Reynoso hatte bereits im Alter von 14 Jahren begonnen, sich am Protest gegen die Silbermine zu ­beteiligen und bewegte auch ihre Eltern dazu, sich in der SCM zu organisierten. An jenem Abend am 13. April hatte das Mädchen einen Auftritt mit ihrer Marimbaband in Mataquescuintla. Als sie gemeinsam mit ihrem Vater auf dem Heimweg war, eröffnete ein Unbekannter von hinten das Feuer auf die beiden. Topacio erlag wenig später den Folgen der Schussverletzungen im Krankenhaus, ihr Vater lag einige Tage im Koma und überlebte den Mordanschlag nur knapp.

Im folgenden Jahr, am 17. Oktober 2015, wurde Alex Reynoso erneut Opfer eines Attentats, als er sich mit drei ­weiteren Mitgliedern der SCM auf einer Autofahrt befand. Adrián Juárez Pérez, der sich zusammen mit Reynoso im Fahrzeug befunden hatte, wurde einen Monat später, am 15. November, zu­sammen mit Áxel Juárez Donis in Mataquescuintla ermordet.

Reynoso glaubt nicht, dass die Staatsanwaltschaft in den Fällen ernsthaft ­ermittelt. »Bisher hat die Staatsanwaltschaft in beiden auf mich verübten ­Attentaten keine Ermittlungsergebnisse erzielt. Aber solange die Staatsanwaltschaft dieselben Kriminalbeamten einsetzt, die auch an der Kriminalisierung der Protestbewegung beteiligt sind, rechne ich auch nicht damit, dass die Ermittlungen vorankommen«, sagt er.
Für Moises Divas von Codidena liegt nahe, dass die vielen gewaltsamen Übergriffe auf das Konto der Minenbetreiber gehen: »Natürlich haben wir keine Beweise, dass all diese Aggressionen unmittelbar von den Betreibern der Silbermine ausgehen. Die Tatsache, dass es eine Vielzahl von Übergriffen auf Menschenrechtsverteidiger gibt, die sich gegen die Silbermine engagieren, legt aber natürlich einen entsprechenden Zusammenhang nahe.«

Die deutsche Nichtregierungsorganisation Facing Finance machte im Februar 2017 auf die Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Silbermine El Escobal aufmerksam und wies zugleich auf die Beteiligungen ­internationaler und deutscher Banken an dem Bergbauunternehmen hin. Den Angaben von Facing Finance zufolge wurde Tahoe Resources Inc. noch im Juli 2017 ein unter anderem von der britischen Großbank HSBC ­getragener Überbrückungskredit in Höhe von insgesamt 300 Millionen ­US-Dollar gewährt. Auch deutsche Banken sind ungeachtet der hinlänglich bekannten Menschenrechtsverletzungen im Konflikt um die Mine an dem Projekt beteiligt. So befindet sich die Deutsche Bank noch immer unter den zehn wichtigsten Anlegern des Unternehmens; die Commerzbank hat ihre bisherige Beteiligung im dritten Quartal 2017 sogar noch um 221,7 Prozent erhöht.

Der niederländische wie auch der weltweit größte Pensionsfonds, der Norwegens, haben ihre Beteiligungen an Tahoe Resources Inc. wegen des ­Verdachts schwerer Menschenrechtsverletzungen hingegen aufgegeben. Der Wert der Aktien von Tahoe Resources Inc., das auch Bergwerke in Kanada und Peru unterhält, sank zuletzt deutlich, vor allem wegen des Entzugs der Abbaulizenz. Auch in Peru erhebt sich gegen das Bergwerk Shahuindo Protest der Bevölkerung wegen befürchteter Umweltschäden.