Der Kampf um die Demokratie ist transnational

Primat der Politik

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Das ist an sich keine schlechte Nachricht, da dies auch der Linken nützen könnte – allerdings nur, wenn diese lernt, transnational zu handeln. Der Nationalstaat ist zu einem Hindernis für die weitere Entfaltung der Produktivkräfte geworden und verhindert die Lösung globaler Problem wie des Klimawandels. Doch kann er, wie sich an der Stagnation und dem drohenden Scheitern der EU zeigt, im kapitalistischen Rahmen nicht überwunden werden. Die durch das Freihandelsregime verschärfte Konkurrenz setzt die Lohnabhängigen und den Sozialstaat unter Druck. Die nationalstaatlichen Regulierungsmöglichkeiten dürften zwar größer sein, als es derzeit den Anschein hat, zentrale Probleme wie die Steuerflucht lassen sich aber nur transnational lösen.

Transnationale Demokratie und Globalisierung des Sozialstaats sollten daher zentrale linke Forderungen sein. Erste Schritte in diese Richtung können bereits im Kapitalismus unternommen werden. Damit werden erste Elemente der Infrastruktur für eine globale demokratische Wirtschaftsplanung geschaffen, andererseits sind solche Forderungen auch attraktiv für ein sozialdemokratisches und linksliberales Milieu. In der Auseinandersetzung mit der populistischen und extremen Rechten sind sie zudem die Kernpunkte eines Gegenprogramms.

Deren Ziele sind im vergangenen Jahr klarer geworden. In den USA steht ein Milliardär an der Spitze der Regierung, ein Oligarch, der sich als Renegat seiner Klasse gegen deren Geschäfts­interessen stellt. Das ist eine Rückkehr der – im Sinne des Kommunistischen Manifests – patriarchalen Herrschaft, der Patron-Klient-Beziehung, in neuer Form. Man erhofft sich vom Oligarchen, dass er die Wettbewerbsbedingungen ändert und die althergebrachte Hierarchie unter den Lohnabhängigen wiederherstellt, in der die weißen Männer die unangefochtene Spitzengruppe bilden. Dies ist den Anhängern Trumps wichtiger als eine Erhöhung des Lebensstandards oder angenehmere Arbeitsbedingungen – die zu fordern so schwer ja nicht ist. Deshalb kultivieren die Rechten nicht nur in den USA nun auch einen neuen heroisierenden Proletkult, der sich den Stahl- oder Bergarbeiter als Symbol für als weiß imaginierte Arbeit auserkoren hat.

Für Trumps Erfolg spielt aber auch das Gefühl des loss of empire eine bedeutende Rolle. »Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhass der Barbaren zur Kapitulation zwingt«, heißt es im Kommunistischen Manifest über die damalige Bourgeoisie. Nun aber sind es wohlfeile chinesische Waren, die, welche Mauern Trump auch bauen lässt, auf den US-Markt strömen, wenn das Land sich nicht abschottet.

Aber die Fremdenhasser kapitulieren nicht, sie haben sich einen Repräsentanten ihrer Interessen gewählt, der sie derzeit darauf vorbereitet, dass ein Handelskrieg ihnen schaden kann. Das wird Trump wohl nicht schaden, da es seinen Wählerinnen und Wählern vornehmlich um Status geht, sie sich also mit einem geringeren Lebensstandard abfinden würden, wenn sie sich dafür über den Ruin Chinas freuen können.

Noch ist unklar, ob Trump den Primat der Politik durchsetzen kann. Gelingt es ihm, wird ihn die Ökonomie einholen – aber auch das kann ihm nutzen. Denn eine Weltwirtschaftskrise und ein Zusammenbruch des globalen Handels würden die nationale Abschottung zur neuen Geschäftsgrundlage machen. Wem die Rechten dann die Schuld am ökonomischen Desaster geben würden, ist nicht schwer zu erraten. Andere Staaten wären gezwungen, dem neuen Modell zu folgen – mit entsprechenden ideologischen Konsequenzen. Das Ende des Kapitalismus, dessen »ideale« Herrschaftsform sich nicht aus der kurzen und keineswegs in allen Staaten wirkmächtigen revolutionären Tradition des Bürgertums ergibt, wäre das nicht; wohl aber die Beseitigung des in den vergangenen 200 Jahren erkämpften sozialen und gesellschaftlichen Fortschritts.