Marcos Cáceres Amarilla, Journalist, über die Wahlen in Paraguay und die Lage der Linken

»Der Caudillismo ist immer noch präsent«

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Interview Von

Könnte es sein, dass die Erinnerung an die Regierung Lugo für die Linke nützlich, aber zugleich ungünstig ist, weil sie zwar ein historischer Bezugspunkt ist, aber praktisch das einzige, womit sie werben kann?
Ja, das stimmt. Leider gibt es in Paraguay eine lange Tradition des Caudillismo (eine Art Führerkult, Anm. d. Red.), die immer noch sehr präsent ist. Langsam, aber sicher versucht der FG sich über die Figur von Lugo hinaus zu strukturieren. Sollten die Umfragen zutreffen und der FG die zweitstärkste Kraft werden, kommt ihm wenigstens im Kongress eine entscheidende Rolle zu, weil er genug Senatoren haben wird, um mit allen Kräften zusammenzuarbeiten und vermitteln zu können.

Was ist das Vermächtnis der Regierung Cartes? In welchem Zustand hinterlässt er das Land?
Cartes hat hauptsächlich versucht, sich auf den Ausbau der Infrastruktur zu stützen, insbesondere den Bau von Straßen und Brücken. Dabei hat er die Auslandsschulden des Landes verdreifacht. Als er an die Regierung kam, betrug die Verschuldung 2,7 Milliarden US-Dollar und mittlerweile sind es mehr als sieben Milliarden. Aber diese Bauprojekte hatten nicht die Wirkung, die er sich gewünscht hatte. In der Armutsbekämpfung hat das Land kaum Fortschritte erzielt. Sie ist und bleibt eine Herausforderung; der Mangel an Wohnraum, die Migration der Landbevölkerung in die Städte, all diesen Phänomenen wurde während der Regierung Cartes keine Aufmerksamkeit geschenkt.

Paraguay ist immer noch eines der ärmsten Länder in Südamerika. ­Warum wählen viele Menschen weiterhin die Colorado-Partei?
Ich glaube, dass dies zum Vermächtnis der Diktatur gehört. Die Menschen sind sehr konservativ, sie fürchten Veränderungen. 35 Jahre lang hat die Propaganda Veränderungen als etwas Negatives dargestellt, sie wurden mit dem Kommunismus assoziiert. Das hat Stroessner geholfen, an der Macht zu bleiben. Leider wirkt das nach. Was unser Land braucht, ist eine Bildungsrevolution. Die Menschen haben immer noch Angst vor Veränderungen. Also stimmen sie für einen Kandidaten, der nicht all zu viel verändern wird. Dazu kommt: Der Einfluss der katholischen Kirche ist nach wie vor sehr stark. Es gibt eine Reihe von Dogmen, die von den Kanzeln der Kirchen gepredigt werden: Nein zur Abtreibung, nein zur gleichgeschlechtlichen Ehe – all das sind Themen, die nicht angetastet werden können. Der Kandidat der Colorados ist derjenige, der diesen Konservatismus am besten verkörpert.

Das ist die ideologische Seite. Welche Rolle spielt der Klientelismus?
Auch das hat mit der Diktatur zu tun. Damals wurde ein sehr paternalistischer Staat geschaffen. Die Menschen sind, was die Stimmabgabe angeht, Gefangene dieses Systems. Sie stimmen für die Colorados, weil sie es gewohnt sind, einen Parteifunktionär zu rufen, wenn sie etwas brauchen – seien es Medikamente oder einen Job. In Wirklichkeit ist die Colorado-Partei eine Wahlmaschine, die mal mehr, mal weniger effektiv funktioniert. Gibt es keinen attraktiven Oppositionskandidaten – wie diesmal –, setzen die Colo­rados ihre Struktur durch. Sie bringen die Menschen an die Wahlurnen, geben ihnen etwas Geld, bezahlen Personen, von denen sie wissen, dass sie gegen sie stimmen würden, damit sie nicht wählen gehen und so weiter. Sie haben viele Mechanismen, um die Not und die Arglosigkeit der Menschen auszunutzen.

Lugo hatte es geschafft, damit zu brechen. Manche hatten gar die Hoffnung, die demokratische Transition sei gelungen. Warum sind die Colorados wieder an die Macht gekommen?
Als die Opposition gewann, wusste sie nicht, wie sie mit der Macht umgehen sollte. 61 Jahre Colorado-Regierung – und plötzlich gewinnt die Opposition. Der gesamte öffentliche Dienst, die gesamte Struktur des Staats, lag in den Händen von Sympathisanten der ANR, die in dieser langen Zeit eingesetzt worden waren. Ein ehemaliger Präsident der Colorado-Partei, Juan Ramón Cháves, hatte das noch vor dem Sturz Stroessners vorausgesagt. Ein Oppositionspolitiker fragte ihn: »Was geschieht, wenn ein Kandidat der Opposition die Präsidentschaft gewinnt, wenn er den Staat übernimmt?« Juan Ramón Cháves antwortete: »Er wird wie eine Fliege im Netz sein.« Und das geschah mit Lugo, er war eine Fliege im Netz.