Der Film »Lady Bird« von Greta Gerwig

Keine Angst vorm Fliegen

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Die Besetzung der Titelrolle mit Saoirse Ronan ist ein Glücksfall für den Film. Mit schlampig rot gefärbten, strähnigen Haaren und einer biederen Schuluniform aus schwarzem Pullunder und grauem Faltenrock verkörpert Ronan die ideale Identifikationsfigur für Teenager, die mit ihrem Aussehen hadern. Die 24jährige zählt zweifellos zu den ­interessantesten jüngeren Schauspielerinnen des US-amerikanischen ­Kinos. Bekannt wurde sie vor vier Jahren mit Wes Andersons »Grand Budapest Hotel«. Dass sie rein äußerlich keineswegs dem glatten Schönheitsideal einer Hollywood-Schauspielerin entspricht, macht sie nicht nur glaubwürdig, sondern steht auch für ein neues Frauenbild. Ihr Können zeigt sich in der Art, wie sie das Neben­einander von Komik und Tragik ausspielt, das die Geschichte charakterisiert. Denn trotz aller Misere begegnet die Heldin dem Dasein mit lakonischer Gelassenheit, und das macht sie sympathisch. Der Konflikt, den Lady Bird mit ihrer Mutter Marion (Laurie Metcalf) austrägt, ist nachvollziehbar und kommt ohne Klischees aus.

Was den Film insgesamt auszeichnet, ist die subtile Sozial­kritik, die nicht in moralisches Predigen verfällt. Da ist Christines Vater (Tracy Letts), der seit Jahren an Depressionen leidet und schließlich seinen Job verliert. Oder ihr homo­sexueller Freund Danny (Lucas Hedges), der wegen seiner konservativen Familie Angst davor hat, zu seiner Orientierung zu stehen.

Bei allem Lob gibt es durchaus Kritikpunkte. Die Filme von und mit Gerwig sind stets in einem homo­genen Kosmos angesiedelt, in der Welt junger, kreativer Menschen, die sich durchwursteln und den Zumutungen der kapitalistischen Leistungsgesellschaft nicht immer ganz gewachsen sind. Als Zugeständnis an eine doch sehr amerikanische Lebenseinstellung gehen die Geschichten trotz aller Irrungen und Wirrungen stets glimpflich aus. Am Ende versöhnt sich die Tochter mit ihrer Mutter, es gibt ein gefühliges Telefonat, als Christine bereits in New York studiert, wo sie schließlich einen Collegeplatz bekommen hat – dieser Traum hat sich letztlich auch erfüllt –, und der Familienfrieden scheint wiederhergestellt. Gerwigs Haltung zum Kino besteht eben in erster Linie darin, dass sie unterhalten will, Schwermut verbreitet sie nur dosiert und stets folgt die positive Wendung auf dem Fuße.

Dass Gerwigs »Lady Bird« in jedem Fall einen Nerv getroffen hat, beweisen etliche Auszeichnungen. Bei den Golden Globes gewann der Film die Auszeichnung für die beste Komödie, Saoirse Ronan wurde als beste Darstellerin geehrte. Bei der diesjährigen Oscars-Verleihung war »Lady Bird« als bester Film sowie für die beste Regie, das beste Drehbuch und die beste Haupt- sowie ­Nebenrolle nominiert und galt vielen als Favorit. Gerwig, die auf der Shortlist für die beste Regie stand, ist damit die fünfte Frau in der Geschichte der Academy Acwards, der diese Ehre zuteil wurde. Dass der Film in keiner dieser Kategorien siegte, ist bedauerlich. Da der Gewinn des Oscars allein kein Kriterium für einen gelungenen Film ist, kann man sich in jedem Fall darüber freuen, dass ein Independent-Film wie »Lady Bird« zumindest im Mainstream-Kino der USA wahrgenommen wird.

 

Lady Bird (USA 2017). Buch und Regie: ­Greta Gerwig, Darsteller: Saoirse Ronan, Laurie Metcalf, Tracy Letts, Lucas Hedges. Fimstart: 19.April