VW und Deutsche Bank haben neues Führungspersonal

Wechsel auf dem Chefsessel

VW, der größte europäische Autohersteller, und die Deutsche Bank, das größte Kreditinstitut Deutschlands, haben jeweils einen neuen Vorstandsvorsitzenden ernannt. Bei beiden Personalentscheidungen ist fraglich, in welche Richtung sie weisen.

Das ist die neue Bescheidenheit beim Autohersteller Volkswagen: 200 Euro am Tag weniger wird der geschasste VW-Vorstandsvorsitzende Matthias Müller von seinem ehemaligen Arbeitgeber an Rente bekommen als sein Vorgänger Martin Winterkorn. Müller erhält 2 900 Euro täglich; Winterkorn, der dem Konzern den Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen eingebrockt hat, bekommt pro Tag 3 100 Euro.

An anderen Stellen wird in dem Unternehmen richtig gespart. Bis 2025 sollen 23 000 Arbeitsplätze abgebaut werden, so sieht es das Programm »Zukunftspakt« vor. Dabei erzielte VW 2017 einen Rekordgewinn von über elf Milliarden Euro – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr –, weil der Konzern von der Bundesregierung geschützt wird. Das Unternehmen muss für die Folgen seiner betrügerischen Machenschaften mit manipulierten Abgaswerten von Dieselfahrzeugen in Deutschland nicht aufkommen. Bezahlen müssen die Kunden, deren Autos enorm an Wert verloren haben und die Fahrverbote fürchten müssen. Das ist also nicht der Grund, warum Müller gehen musste.

Der Aufsichtsrat hatte den Manager an die Konzernspitze berufen, um einen »Kulturwandel« im Unternehmen voranzubringen. Müllers Vorgänger Winterkorn hatte einen autoritären Führungsstil gepflegt. Dieser Stil, das möchten VW und Wirtschaftspresse glauben machen, sei dafür verantwortlich, dass die vielen Mitwisser und Mittäter bei den Betrügereien mitmachten. Doch Müllers Verhalten wies nicht in die Richtung eines »Kulturwandels«. Die Juristin Christine Hohmann-Dennhardt, die den Skandal für den Konzern aufarbeiten sollte, vergraulte er schnell. Sein nonchalanter Ton, in dem er öffentlich den Abgasskandal kleinredete, war eine Provokation. Mal bezeichnete er den Dieselskandal als »technisches Problem«, mal behauptete er, den Kunden sei doch gar kein Schaden entstanden. Seine Forderung nach Steuererleichterungen für Dieselkraftstoff verärgerte die VW-Eigentümerfamilien Porsche und Piëch, weil sie nicht mit ihnen abgestimmt war. Zur Forderung, Managergehälter auf fünf Millionen Euro im Jahr zu begrenzen, sagte Müller, das wäre ja wie in der DDR.

Schließlich hatten die Konzerneigentümer, zu denen auch das Land Niedersachsen gehört, genug von diesen Kapriolen. Deshalb wurde Müller durch den früheren BMW-Manager Herbert Diess ersetzt, der bislang im Vorstand für die VW-Kernmarken zuständig war. Offiziell begründet der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch Müllers Ablösung mit der Anforderung, »die Leitung des Konzerns und der Kernmarke Volkswagen in einer Zeit hoher Veränderungsdynamik langfristig sicherzustellen«. »Infernalischer als mit dem derzeitigen Wolfsburger Personalchaos kann ein Kulturwandel nicht scheitern«, kommentierte die wirtschaftsnahe Tageszeitung Handelsblatt die Vorgänge bei VW.

Fast zur gleichen Zeit wie VW hat ein anderes Vorzeigeunternehmen der deutschen Wirtschaft seinen Leiter ausgetauscht. Die Deutsche Bank entließ ihren Vorstandsvorsitzenden John Cryan. Seine Abfindung soll bei neun Millionen Euro liegen. Auch Cryan sollte einen »Kulturwandel« bei seinem Unternehmen herbeiführen, das wegen krimineller Machenschaften von Geldwäsche bis zu Zinsmanipula­tionen Tausende Verfahren am Hals hat und Milliarden an Bußgeldern und Strafen zahlen muss, vor allem in den USA und Großbritannien. Cryan ist ­Investmentbanker, stammt also aus jenem Bereich der Finanzbranche, der die Bank erst in die Bredouille gebracht hat. Kein Wunder, dass Cryan an Investmentbanker der Bank Boni in Milliardenhöhe ausschütten ließ – und das, obwohl die Bank drei Jahre hintereinander Verluste eingefahren hatte.

Der 47jährige Christian Sewing, bislang Leiter der Sparte Privatkunden, wird Cryans Nachfolger. »Christian Sewing hat in seinen mehr als 25 Jahren bei der Deutschen Bank konstant bewiesen, dass er führungsstark ist und eine große Durchsetzungskraft hat«, lobte der mächtige Aufsichtsratsvorsitzende Paul Achleitner den neuen Vorstandsvorsitzenden.

Doch genau die Prägung durch die lange Karriere bei der Frankfurter Bank dürfte das Problem sein, wie ein Brief Sewings an die Belegschaft der Bank nach seiner Beförderung ­gezeigt hat. »Mit Blick auf die Erträge müssen wir unsere Jägermentalität ­zurückgewinnen, uns in allen Geschäftsbereichen steigern und die Messlatte wieder höher legen. Unser Start in das Jahr war solide, aber ›solide‹ darf nicht unser Anspruch sein«, schrieb er. Dass der Aufsichtsrat der Deutschen Bank – in dem auch Gewerkschaftsvertreter sitzen – mit Sewing einen Mann an die Spitze stellt, der »Jägermentalität« der Solidität vorzieht, zeigt die frappierende Lernunfähigkeit dieses Gremiums.

 

Für VW gilt Ähnliches. Diess gilt als harter Kostendrücker und hatte bereits beim Aufkommen der Dieselaffäre eine leitende Position inne. Eines allerdings unterscheidet VW von der Deutschen Bank. Während deren Manager nur ihre Aktionäre fürchten müssen, sitzen bei VW auch Politiker in den Gremien. Das Land Niedersachsen ist Anteilseigner. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) entscheiden mit darüber, was im VW-Konzern geschieht. Auch der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann gehört dem Aufsichtsrat an. Gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat dürfte es dem SPD-Politiker Weil durchaus möglich sein, maßlose Gehälter und Abfindungen für das Spitzenpersonal ­abzuschaffen. Wahrscheinlich sind SPD-Leute und Arbeitnehmervertreter stolz darauf, dass die Gehälter für Manager auf zehn Millionen Euro im Jahr begrenzt sind. Als wäre das nicht schon ein skandalös hohes Jahresgehalt, kann es einschließlich Altersvorsorge sogar noch viel höher sein.

Ebenfalls seinen Posten bei VW räumen muss Personalvorstand Karlheinz Blessing. Er wird ersetzt durch den ­IG-Metall-Funktionär und SPD-Mann Gunnar Kilian, der bislang General­sekretär des Konzernbetriebsrats gewesen ist. Bei ihm seien »die Fäden zusammengelaufen«, zitierte die Süddeutsche einen anonymen Insider. Damit steht auch Kilian für das Ausbleiben einer grundlegenden Veränderung bei VW.

Deutsche Bank und Volkswagen sind nicht die einzigen deutschen Konzerne, in denen sich kriminelle Energie ungestört entfalten konnte oder möglicherweise noch kann. Und sie werden sicher nicht die letzten sein. Solange es in Deutschland kein konsequentes Unternehmensstrafrecht gibt, haben Manager, die Betrug oder andere unlautere Geschäftspraktiken zu- oder gar veranlassen, nicht viel zu fürchten. Bei formal komplexen Entscheidungsstrukturen wie in Konzernen ist es für die Justiz schwer, Einzelne zur Verantwortung zu ziehen. Gegen Unternehmen als Ganzes können hierzulande nur Geldbußen bis zehn Millionen Euro verhängt werden – eine Summe, die zwar für eine kleine Firma bedrohlich, bei Konzernen wie der Deutschen Bank und VW aber nicht abschreckend wirkt.

In den USA und vielen europäischen Ländern gibt es ein wirkungsvolleres Unternehmensstrafrecht gegen Wirtschaftskriminalität. In Deutschland wird seit der Finanz- und Wirtschafts­krise 2008 darüber diskutiert. Das seinerzeit von SPD und Grünen regierte Nordrhein-Westfalen legte 2013 einen Gesetzentwurf dazu vor. Der Vorschlag des damaligen Landesjustiz­ministers Thomas Kutschaty (SPD) sah vor, dass Unternehmen, die kriminelles Verhalten ihrer Mitarbeiter dulden, begünstigen oder provozieren, bis zu zehn Prozent ihres Jahresumsatzes als Strafe zahlen müssen, von öffentlichen Aufträgen und Subventionen ausgeschlossen oder als Höchststrafe aufgelöst werden. Die Widerstände der Unternehmen gegen dieses Vorhaben waren aus nachvollziehbaren Gründen groß. Der Entwurf ist in der Versenkung verschwunden.