Gegen den israelischen Ministerpräsidenten wird wegen Korruption ermittelt

Bibi sprengt die Party

Gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und einige seiner Familienangehörigen wird in mehreren Fällen wegen Korruption ermittelt. Er versucht, die Regierungskoalition zu sprengen, um mit Neuwahlen davon abzulenken.

Als am Mittwoch vergangener Woche in Jerusalem die offiziellen Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Staatsgründung Israels stattfanden, gab es zugleich einen Eklat, der außerhalb Israels kaum wahrgenommen wurde. Tradi­tionell hält der Präsident der Knesset, des israelischen Parlaments, die Haupt­ansprache bei der Zeremonie, um die Feierlichkeiten der parteipolitischen Auseinandersetzung zu entziehen. Dieses Mal hielt Benjamin Netanyahu sie jedoch selbst, obwohl dem Ministerpräsidenten eigentlich nur die Rolle eines prominenten Gastes zugedacht ist.

Zuvor hatte es heftige Auseinandersetzungen zwischen dem Parlamentspräsidenten Yuli-Yoel Edelstein und Netanyahu gegeben. Edelstein hatte sogar damit gedroht, die Veranstaltung zu boykottieren, sollte Netanyahu auf seinem Auftritt dort bestehen. Kurz vor dem Unabhängigkeitstag hatte man dann eine Einigung erzielt, wonach Netanyahu ein kurzes Grußwort sprechen sollte. Letztlich sprach der Ministerpräsident dann aber fast doppelt so lange wie Edelstein und eröffnete auch noch den Festakt, was Edelsteins Aufgabe gewesen wäre. Allerdings ging es Netan­yahu dabei nicht darum, der ­politischen Opposition die Show zu stehlen – er und Edelstein gehören beide dem Likud an.

Tatsächlich ist es nicht die Opposition, die Netanyahu derzeit gefährlich werden könnte. Die zur Zionistischen Union erweiterte Arbeitspartei nähert sich weiter der Bedeutungslosigkeit – in Umfragen liegt sie nur noch bei etwa acht Prozent der Stimmen –, während die rechtsliberale Partei Yesh Atid, die stärkste Oppositionspartei, trotz erheblicher Zugewinne in den vergangenen Monaten gerade einmal 20 der 120 Parlamentssitze gewinnen würde. Deutlich ernster nehmen muss Netan­yahu den wachsenden Überdruss seiner eigenen Parteifreunde angesichts seines autokratischen Führungsstils. Potentielle Konkurrenten innerhalb des Likud wurden von Netanyahu deshalb immer wieder kaltgestellt.

Die größte Gefahr für seine Zukunft als Ministerpräsident ist eine andere. Gegen Netanyahu wird seit Monaten in mehreren Korruptionsfällen ermittelt. Zuletzt hatten sich die Verdachtsmomente derart verdichtet, dass die ermittelnden Polizeibehörden empfohlen haben, Anklage gegen ihn zu erheben. Dass so etwas böse enden kann – nicht nur mit dem Verlust der Regierungsmacht, sondern auch mit dem der Freiheit –, hat Netanyahus Vorgänger Ehud Olmert schmerzlich erfahren müssen. Wegen Bestechlichkeit war er 2015 letztinstanzlich zu 27 Monaten Haft verurteilt worden, von denen er 16 Monate absitzen musste. Dem gerade gegenüber Politikern erfrischend respektlosen Justizapparat Israels wäre seinerzeit vermutlich auch ein Helmut Kohl nicht so einfach entkommen.

In insgesamt vier Fällen wird Ne­tanyahu Korruption vorgeworfen. Im so­genannten »Fall 1 000« geht es um Luxusgegenstände, darunter Champagner und Zigarren, im Wert von etwa einer Million Schekel (250 000 Euro), die Netanyahu und dessen Ehefrau Sara von dem Geschäftsmann Arnon Milchan bekommen haben sollen, ­wofür dieser steuerliche Vergünstigungen erhalten sollte. Der »Fall 2 000« betrifft Absprachen, die Netanyahu mit dem Herausgeber der Tageszeitung Yediot Ahronoth, Arnon Mozes, getroffen haben soll. Demnach wurde vereinbart, dass die kostenlose Zeitung Israel Hayom, die als Sprachrohr Netanyahus gilt und inzwischen Yedioth Ahronoth als auflagenstärkste Zeitung des Landes abgelöst hat, ihre Auflage deutlich verringert, während Yedioth Ahronoth im Gegenzug wohlwollend über Netan­yahu berichten sollte.

Im »Fall 3 000« wird bisher nicht gegen Netanyahu selbst ermittelt, wohl aber gegen dessen Anwalt und Vetter David Shimron. Er soll dem israelischen Repräsentanten von Thyssen-Krupp, Michael Ganor, dabei geholfen haben, hohe Beamte des Verteidigungsminis­teriums zu bestechen, damit diese ein mehrere U-Boote und Kriegsschiffe umfassendes Angebot des deutschen Waffenproduzenten bevorzugen. Für Netanyahu geht es hier vor allem darum, was er über diese Bestechungen wusste und ob er in die Vergabe des Auftrags an Thyssen-Krupp involviert war. Der Fall ist besonders brisant, weil er auch Fragen der nationalen Sicherheit betrifft und Netanyahus vermeintliche Unangreifbarkeit auf diesem Gebiet in Frage stellt.

Der »Fall 4 000« schließlich beschäftigt sich ebenfalls mit dem Verhältnis Netanyahus zu den Medien. In seiner Funktion als Kommunikationsminister, die er von 2014 bis 2017 zusätzlich zum Amt des Ministerpräsidenten ausübte, soll er dem ehemals staatlichen Telekommunikationskonzern Bezeq und dessen heutigem Hauptaktionär Shaul Elovitch erhebliche Vorteile verschafft haben. Dazu soll eine bevorzugte Behandlung bei der Neustrukturierung des Telefonnetzes nach der Privatisierung und die Unterstützung beim Erwerb des Kabelfernsehanbieters Yes gehört haben. Als Gegenleistung soll Elovitch die Internetplattform von Bezeq, Walla, angewiesen haben, vorteilhaft über Netan­yahu und dessen Frau Sara zu berichten.