Small Talk mit Fadi El-Ghazi vom Bündnis »Berlin Werbefrei«

»Fremdkörper in der Stadt«

Das Bündnis »Berlin Werbefrei« fordert ein Verbot von Reklame im öffentlichen Raum und in Bildungseinrichtungen sowie von diskriminierender Werbung. Die Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) zeigte bereits Sympathie für das Vorhaben. Fadi El-Ghazi ist Mitinitiator des Volksbegehrens.
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Warum soll Berlin werbefrei werden?
Berlin soll nicht komplett werbefrei werden. Außenwerbung stellt allerdings ein Problem in der Stadtgestaltung dar. Sie ist ein Fremdkörper in der Stadt. Durch Gebäude, Plätze und Grünanlagen ist Berlin bereits ausreichend gestaltet. Werbung überlagert diese Gestaltung, indem sie den öffentlichen Raum kommerzialisiert und für private Interessen vereinnahmt. Außerdem nimmt Außenwerbung uns die Freiheit, darüber zu entscheiden, ob wir eine Werbung sehen wollen oder nicht. Im Fernsehen kann ich umschalten. Wenn ich Außenwerbung sehe, ist das so, als ob ich mit einer kaputten Fernbedienung vor einer Dauerwerbesendung sitzen würde.

Bunte Reklame ist manchmal aber vielleicht ansehnlicher als graue Fassaden, oder?
Eine graue Fassade ist sicher kein besonders schöner Anblick. Wenn die Werbung davor verschwindet, kann das aber durchaus dazu führen, dass der Hauseigentümer die Fassade sanieren lässt oder die Fläche frei wird für Kunst. Die kommt dann der Allgemeinheit zugute und nicht den Interessen eines privaten Unternehmens.

Sie betonen, dass vor allem ein Verbot digitaler Werbeanlagen notwendig sei. Was ist so schlimm an digitaler Werbung?
Digitale Werbeanlagen arbeiten mit Licht und Bewegung. Das menschliche Auge reagiert automatisch darauf. Das kann zu Problemen im Straßenverkehr führen. Es gibt zwar keine Studien, die belegen, dass digitale Anlagen zu mehr Verkehrsunfällen führen. Eine schwedische Studie hat aber gezeigt, dass digitale Werbeanlagen ungefähr ein bis zwei Sekunden die Aufmerksamkeit des menschlichen Auges beanspruchen. Gerade im hektischen Berliner Verkehr kann dadurch die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer gefährdet werden.

Auch sogenannte diskriminierende oder herabwürdigende Werbung möchten Sie verbieten. ­Besteht da nicht die Gefahr der Zensur?
Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut in diesem Staat. Herabwürdigend und diskriminierend ist eine Werbung, wenn sie dem Diskriminierungsverbot ­widerspricht, das in der Verfassung des Landes Berlin festgeschrieben ist. Es geht nicht um nackte Haut, sondern um Herabwürdigung. Herabwürdigend ist eine Werbung zum Beispiel dann, wenn eine Person – meistens eine Frau – für Verkaufszwecke zum Objekt gemacht und instrumentalisiert wird. Der Deutsche Werberat kann solche Kampagnen zwar rügen, Unternehmen aber nicht dazu verpflichten, die entsprechende Werbung zu entfernen. Wir wollen, dass in Zukunft die Justiz darüber entscheidet, ob eine Werbung herabwürdigend ist oder nicht.

Durch das Gesetz würden dem Senat jährlich etwa 31 Millionen Euro an Einnahmen entgehen. Wie soll der Senat diese Verluste kompensieren?
Die Summe ist marginal. Es würde sich lediglich um 0,1 Prozent des Landeshaushalts handeln. Bisher ist auch noch gar nicht einkalkuliert, dass Veranstaltungswerbung und zur Refinanzierung von Bau- oder Sanierungsmaßnahmen auch Produktwerbung an öffentlichen Sanitäreinrichtungen und Wartehäuschen der BVG weiterhin erlaubt sein soll. Die entsprechenden Einnahmen würden nicht mehr an private Unternehmen gehen, sondern in den öffentlichen Haushalt fließen. So könnten eventuell sogar Mehreinnahmen erzielt werden.