Faschistische Schläger bedrohen die Protestbewegung an den französischen Unis

Rechte Schlägertrupps an den Unis

An den französischen Universitäten hat sich eine studentische Protest­bewegung gegen ein neues Gesetz zur Beschränkung des Hoch­schul­zugangs gebildet. Gegen diese wiederum formiert sich ein extrem rechtes Bündnis, das vor Gewalt nicht zurückschreckt.

Frankreichs Studierende begehren auf. Ihr Protest gilt einem Gesetz, das Präsident Emmanuel Macron Mitte März unterzeichnete und das zum Studienjahr 2018/19 in Kraft treten soll. Damit würde der Hochschulzugang beschränkt. Außer mit der Regierung, den Universitätsleitungen und der Polizei haben es die protestierenden Studierenden jedoch vielerorts mit einem weiteren Gegner zu tun: rechtsextremen Überfallkommandos. So fand am 22. März eine gewalttätige Attacke auf einen besetzten Hörsaal in Montpellier statt. Am 24. März kam es zu vergleichbaren Ereignissen in Lille, am 28. März in Straßburg. In der Nacht vom 5. zum 6. April wurde auf die besetzte Fakultät von Tolbiac in Paris – ein ausgelagerter sozialwissenschaftlicher Fachbereich der Sorbonne, der mittlerweile von der Polizei geräumt wurde – ein Angriff versucht, jedoch erfolgreich abgewehrt. Am 12. April kam es an einer ausgelagerten Fachschaft der Universität Paris-IV an der Porte de Clignancourt zu einer weiteren Attacke. Das Vorgehen ist fast immer das Gleiche: Zehn bis 20 teilweise vermummte, mit Knüppeln, Baseballschlägern und Elektroschockern bewaffnete Angreifer gehen auf von ihnen als links eingestufte Besetzer oder streikende Studierende los.

Antifaschisten konnten unter den Angreifern mehrere oft gemeinsam agierende Akteure identifizieren. Zu ihnen zählen Gruppen aus der Identitären Bewegung. Am vorigen Wochenende erzeugte diese durch das Blockieren eines Alpenpasses an der französisch-italienischen Grenze für Migranten einige öffentliche Aufmerksamkeit. In Lille wurden Mitglieder der Jugendorganisation Génération Identitaire wieder­erkannt. In Montpellier wurde ein Hochschullehrer unter den gewalttätigen Jungmännern ausgemacht – der Rechtshistoriker Jean-Luc Coronel de Boissezon. Er verkehrt in rechtskonservativen Kreaisen, tauchte aber auch auf einem Foto von einer Demonstration der Ligue du Midi (Liga des Südens) von vor zwei Jahren auf. Diese Organisa­tion zählt zu den Identitären.

Auch die aus dem monarchistischen Nationalismus kommende, den anti­semitisch-royalistischen Schriftsteller Charles Maurras verehrende Action Française (AF) gehört dem militanten Bündnis an. Ihr Sprecher Antoine Berth bekannte sich vor zwei Wochen in der Tageszeitung Le Monde zur Beteiligung seiner Organisation an universitären »Antiblockadeaktionen« gegen Versuche, den Lehrbetrieb zu bestreiken. Zur AF zählt auch Cyriaque Uvicy, der vorige Woche den Linkspartei-Abgeordneten Eric Coquerel mit einer Torte bewarf, um ihn symbolisch für seine Solidarität mit Migranten zu bestrafen.

Nicht zuletzt sind auch die Überreste der 1969 gegründeten, seit Ende der neunziger Jahre jedoch marginalisierten gewalttätigen Studierendenorga­nisation Groupe Union Défense (GUD) an den Attacken beteiligt. Der GUD machte in den vergangenen anderthalb Jahren von sich reden, als er in mehreren Städten wie dem ostfranzösischen Chambéry oder im März in Marseille als bastion social bezeichnete soziale Zentren nach dem Vorbild der italienischen Casa Pound einrichtete. Quantitativ sind die französischen Zentren zwar noch nicht einmal annähernd mit der Casa-Pound-Bewegung vergleichbar, dennoch haben sie der militanten außerparlamentarischen Faschistenszene neue Aufmerksamkeit verschafft.

Warum schaffen diese Strömungen es, die studentische Protestbewegung gezielt und koordiniert anzugreifen? Auf inhaltlicher Ebene ist klar, dass mehr Beschränkungen und weniger soziale Gleichheit beim Zugang zu Hochschulen grundsätzlich im Sinne ihres Weltbilds sind, weswegen sie die Anliegen der Streikbewegung ablehnen. Zugleich hat die Wahlniederlage des FN im vergangenen Jahr dessen strategische Krise verschärft und damit einem Teil der extremen Rechten einen weiteren Beleg für die These geliefert, dass es keinen institutionellen, demokratischen Weg zur Macht gebe. Die Kontrolle, die der FN aus Rücksicht auf seine strategischen Interessen über Mitglieder der extremen Rechten ausübte, hat sich dadurch gelockert. Eine Reihe von kleineren Gruppen sieht ihre Stunde gekommen, um sich als Alternative zu profilieren, die keine politischen Vorsichtsmaßnahmen walten lassen muss wie der parlamentarisch ausgerichtete FN. Diesem fällt es oft schwer, sich im derzeitigen polarisierten gesellschaftlichen Klima zu posi­tionieren, weil er die Regierung ebenfalls ablehnt, aber auch die protestierende Linke nicht unterstützen will.

Neben dem Studierendenprotest findet derzeit auch ein Streik der französischen Eisenbahner statt. Dazu präsentierte die FN-Vorsitzende Marine Le Pen einen demagogischen Vorschlag. Die Öffentlichkeit nahm ihn teils als ulkige Idee, teils mit Zustimmung auf: Bei einem Fernsehauftritt regte sie an, die Bahnbeschäftigten könnten doch, statt zu streiken, »den Personentransport für alle Nutzer kostenlos machen«. Auf diese Idee waren freilich schon andere gekommen und die Bahnbeschäftigten mussten dafür nicht auf einen Geistesblitz der früheren Prä­sidentschaftskandidatin warten. Allerdings hat der Vorschlag einen Haken. Bei früheren »Kneifzangenstreiks« – bei denen die Bediensteten die Fahr­karten nicht kontrollieren und dadurch das Zugfahren faktisch kostenlos machen – wurden die daran be­teiligten Bahnmitarbeiter mit Disziplinarstrafen belegt.

Der Arbeitgeber argumentierten, das Streikrecht in Frankreich sei zwar gesetzlich und verfassungsrechtlich geschützt sei, absichtlich schlecht oder falsch zu arbeiten sei jedoch keine ­korrekte Ausübung dieses Rechts. Die Sache ging vor den Obersten Gerichtshof, der 1989 urteilte, ein »Kneif­zan­gen­streik« sei rechtswidrig. Auf das Streikrecht dürfe sich nur berufen, wer die Arbeit vollständig einstelle und dadurch auch jeglichen Lohnanspruch für den fraglichen Zeitraum verliere. Seitdem steht rechtlich fest, dass die Bahn als Arbeitgeber Mitarbeiter disziplinarrechtlich belangen kann, die im Kontext eines Arbeitskampfs auf ihren Posten bleiben, jedoch die Fahrten für die Fahrgäste kostenlos machen. Das kann bis zur Kündigung gehen.

Den unverantwortlichen Charakter ihrer Empfehlung, die zu befolgen also für die Bahnbeschäftigten gefährlich werden könnte, dürften viele Zuhörer Le Pens – ohne Kenntnis der Vorgeschichte – nicht erkannt haben. Sie hörte sich vielmehr in manchen Ohren an wie eine kluge Lösung, die auf einfache Weise die Interessen von Fahrgästen und Bahnpersonal mit­einander versöhnt. Zugleich verdeckte dieser Vorschlag der FN-Vorsitzenden die streikfeindliche Haltung, die in ihrer Partei anlässlich des derzeitigen Arbeitskampfs auch mehr oder weniger offen zutage tritt. So urteilte Marine Le Pens Lebensgefährte, der FN-Vizevorsitzende Louis Aliot, in altbekannter Wortwahl, Streik sei ein »archaisches Mittel«, um Konflikte zu lösen.