Der Entwurf für ein neues Psychiatriegesetz in Bayern stößt zurecht auf heftige Kritik

Wer hat Angst vorm kranken Mann?

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Die heftigste Kritik erntete die vom bayerischen Innenministerium gewünschte »Unterbringungsdatei«. In ihr sollen Daten zu Person, Unterbringung, ärztlichem Befund und Fluchtversuchen an die Fachaufsichtsbehörde übermittelt und fünf Jahre lang gespeichert werden. Für diverse Zwecke könnten staatliche Stellen diese Daten abrufen – auch die Polizei, deren örtliche Dienststelle dem Entwurf zufolge bei einer Entlassung zusätzlich zum zuständigen Gericht und der Kreisverwaltungsbehörde informiert werden muss.

Josef Mederer (CSU), Vorsitzender des Bayerischen Bezirkstags, möchte die Einführung einer Unterbringungsdatei am liebsten aus dem Gesetz streichen, zumindest jedoch die Speicherfristen verkürzen und die Daten generell ­anonymisieren. Wie er dem Nachrichtenportal OVB online sagte, habe Sozialministerin Schreyer ihm dies zuge­sichert. Der leitende ärztliche Direktor der Gesundheitseinrichtungen des ­Bezirks Oberfranken, Thomas Kallert, sieht »medizinethische Prinzipien aufs gröbste verletzt«. Die Stigmatisierung, die Patienten nach einem Psy­chiatrieaufenthalt zu befürchten hätten, nannte Kathrin Sonnenholzner (SPD), Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bayerischen Landtags, »eine ­Katastrophe für die psychisch Kranken«. Diese würden »mit diesem Gesetz als ›Gefährder‹ eingestuft«, konstatierte der Politische Geschäftsführer der ­Piratenpartei Bayern, Alexander Fox, in einer Pressemitteilung. Damit stellte er einen Zusammenhang zu der geplanten Reform des Bayerischen Polizeirechts her, die eine umfassende Überwachung bereits bei »drohender Gefahr« ermöglichen soll.

Auch in der Bevölkerung wird Kritik an dem Gesetzesvorhaben laut. Eine Petition auf change.org fordert eine »tiefgehende Überarbeitung des Gesetzestextes« und hatte Anfang der ­Woche bereits 85 000 Unterzeichner. Anfang Mai soll vor der Bayerischen Vertretung in Berlin eine Demonstration unter dem Motto »Gegen Stigmatisierung und Kriminalisierung von Krankheit – Kein #PsychKHG!« stattfinden. Ministerpräsident Söder zeigte sich »offen für Veränderungen«. So soll der Süddeutschen Zeitung zufolge die Aufnahme des ärztlichen Befunds in die Unterbringungsdatei wieder gestrichen werden. Am Mittwoch begann die erste Lesung des Gesetzentwurfs im Landtag. In welchem Maß die bayerische Landesregierung auf die Kritik reagiert, wird sich in den nächsten Wochen auch dort zeigen.