Lange Haftstrafen für Mitarbeiter der türkischen oppositionellen Zeitung »Cumhuriyet«

Terror gegen Journalisten

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Einer der 15 Verurteilten, der Journalist Şık, hatte zuvor bereits ein Jahr im Gefängnis verbracht, nachdem er ein kritisches Buch über die Gülen-Bewegung geschrieben hatte. Şık empörte sich bei den Anhörungen mehrfach über solche Widersprüchlichkeiten. Im Dezember 2017 war er von Richter Dağ des Saales verwiesen worden, weil er bei seiner Verteidigung von einem »diktatorischen Regime« gesprochen und das Gericht bereits zuvor als ­eigentlichen Täter unter dem Deckmantel der Justiz bezeichnet hatte. »Keine Diktatur hat jemals dauerhaft den politischen Kampf dadurch gewonnen, dass sie die Rechtschaffenen zum Schweigen zu bringen versucht«, twitterte Şık kurz nach dem Urteilsspruch.

Sezgin Tanrıkulu, ein Jurist und Abgeordneter der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), verfolgte den Prozess als Beobachter von Beginn an. Nach der Urteilsverkündigung unterstrich er, dass er am Ende eines durch und durch ungerechten Verfahrens kein anderes Urteil erwartet habe. Tanrıkulu war jahrelang Verteidiger im vor allem von Kurden bewohnten südostanatolischen Diyarbakır und dort aktiv in der Menschenrechtsbewegung. »Die wahren Hintergründe des Prozesses wurden verschleiert«, sagte er. »In der Zukunft muss es darum gehen, zu verhindern, dass solche Prozesse überhaupt geführt werden.«

Das Gericht hatte während des Verfahrens neben der Berichterstattung der Zeitung als Grundlage der Anklage fadenscheinige Beweise für angebliche Beziehungen einzelner Journalisten zu Terrororganisationen präsentiert. Dem Karikaturisten Kart etwa wurde vorgeworfen, er habe einen Kurzurlaub im Ferienort Bodrum bei einem Reiseunternehmen gebucht, das verdächtigt werde, mit Gülens Hizmet-Bewegung zu sympathisieren. »Statt eines viertägigen Aufenthalts in einem Zimmer mit Meerblick habe ich dann monatelang hinter schwedischen Gardinen gesessen«, spottete der prominente Zeichner nach seiner Haftentlassung im Juli 2017. Bereits im Oktober 2016 waren die Macher und Mitarbeiter der Zeitung in Untersuchungshaft genommen worden. Şık und Sabuncu kamen erst im Februar dieses Jahres nach 15 Monaten Haft frei.

In der Rangliste der Pressefreiheit steht die Türkei nun auf Rang 157 von 180 Ländern. Einsam an der Spitze steht das Land mit derzeit 148 inhaftierten Medienschaffenden. Prozesse ­gegen prominente oppositionelle Journalisten gehören mittlerweile zum ­Alltag. Sechs Angeklagte in einem weiteren hochkarätigen Medienprozess wurden im Februar zu lebenslanger Haft verurteilt, weil sie dem medialen Arm der Gülen-Bewegung angehören sollen. Zu den sechs gehören die Journalistin Nazlı Ilıcak, der Schriftsteller ­Ahmet Altan und sein Bruder Mehmet Altan, ein Professor für Volkswirtschaft. Die Klagen gegen Ahmet und Mehmet Altan wurden vom Europäischen ­Gerichtshof für Menschenrechte kritisiert, der entschied, dass die türkische Justiz »ausdrücklich gegen deren Rechte verstoßen« habe.

Repression ist allerdings nicht das einzige Mittel im Kampf gegen die freie Presse. Mit dem Verkauf des Verlagshauses Doğan an den regierungsnahen Konzern Demirören Anfang April werden nun 98 Prozent der türkischen Medien von der Regierungspartei für Gerechtigkeit und Fortschritt (AKP) kontrolliert.