Neue Tiefpunkte in der deutschen Antisemitismus­debatte

Lasche Reaktionen auf den Judenhass

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Des Weiteren will er ein bundesweites Erfassungssystem für antisemitische Taten schaffen – auch für Vorfälle, die unterhalb der Strafbarkeitsgrenze liegen.

Ob diese Vorhaben tatsächlich den Antisemitismus eindämmen können, ist zweifelhaft.

Zumal die Politik mit schlechtem Beispiel vorangeht. Die Bundestagsdebatte anlässlich des 70jährigen Bestehens Israels zeigte dies deutlich. Während die Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD, Andrea Nahles, nach den üblichen Floskeln über die Verbundenheit beider Länder es in ihrer Rede nicht unterlassen konnte, die »fortgesetzten Siedlungsaktivitäten« Israels, die »mit unseren Vorstellungen einer friedlichen Beilegung des Konflikts schwer vereinbar« seien, zu kritisieren, instrumentalisierte der Partei- und Fraktionsvorsitzende der AfD, Alexander Gauland, die Debatte, um die »falsche Flüchtlings- und Einwanderungspolitik« der Bundesregierung anzugreifen und das Grundrecht auf Asyl zu einem bloßen »Gastrecht« kleinzureden. »Wer den Davidstern verbrennt und Kippaträger angreift, hat das Gastrecht in diesem Lande missbraucht und damit eben auch verwirkt«, so Gauland.

Im Berliner Abgeordnetenhaus rief eine fraktionsübergreifende Resolution mit dem Titel »Gegen Hass und Intoleranz – für Menschenwürde und Religionsfreiheit« heftige Kritik des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) hervor. In seiner Rede griff er »die Gleichsetzung von Angriffen auf Juden mit irgendwelchen anderen Angriffen auf Menschen in Deutschland« scharf an. Die Fraktionen fordern in der Resolution, dass sich »auf Berlins Straßen Menschen ohne Angst bewegen können« – »auch mit Kippa oder Kopftuch«. Gestrichen wurde der Satz: »Ebenso verurteilen wir massiv die religiös motivierten Angriffe auf zum Christentum konvertierte Menschen wie auf Nichtgläubige.«

Luthe sagte, dass es in Deutschland aufgrund der Geschichte angemessen sei, dass »wir gegenüber Verbrechen gegenüber Juden selbstverständlich mit zweierlei Maß messen und das nicht alles nivellieren«. Doch damit stand er allein. Politiker aller Parteien, bis auf ­einige Abgeordnete der AfD, lehnten seine Ausführungen vehement ab. »Was Sie hier getan haben, ist wirklich in höchstem Maße beschämend für dieses Haus«, sagte der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Udo Wolf. Die Fraktion der FDP solidarisierte sich nicht mit Luthe. Er trat von seinem Amt als religionspolitischer Sprecher zurück. Für die Presse war er seitdem nicht mehr zu erreichen.