Israel hat sich seit seiner Gründung zum High-Tech-Land entwickelt

Vom Kibbuz zum Start-up

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So würden sich auch Start-ups schnell am Weltmarkt orientieren. Alroi-Arloser: »Wenn an der TU Aachen acht Studenten ein Unternehmen gründen, ist die Chance hoch, das bei allen die Muttersprache Deutsch ist und sie aus Deutschland, wahrscheinlich sogar aus Nordrhein-Westfalen, kommen. Gründen acht Studenten am Israel Institute of Technology in Haifa ein Unternehmen, kommen vier wahrscheinlich aus England, den USA, Russland oder Frankreich und die vier, die in Israel geboren wurden, haben Wurzeln in Europa oder Nordafrika. Sie sprechen mehrere Sprachen und haben Kontakte in verschiedene Länder.«

Israel ist ein Paradies für Programmierer, Ingenieure und Gründer – und der Staat und die Privatwirtschaft tun alles dafür, dass es so bleibt. Kein Land auf der Welt steckt einen größeren Teil seines Bruttoinlandsproduktes in Forschung und Entwicklung als Israel: 4,25 Prozent waren es im Jahr 2017. Die Staaten der Europäischen Union kommen zusammen nach Angaben von Eurostat gerade einmal auf knapp über zwei Prozent, Deutschland immerhin auf 2,9 Prozent. Und kein Land zieht mehr privates Risikokapital an als Israel. Nach Angaben der Deutsch-Israelischen Industrie- und Handelskammer entfallen auf jeden Israeli statistisch 548 Dollar Risikokapital, in den USA sind es 230 Dollar pro Person, in China und Indien gut drei Dollar. In Deutschland ist die Summe so gering, dass sie in den Statistiken nicht aufgeführt wird.

Tausende Unternehmen entstehen so jedes Jahr, die meisten scheitern, einige werden, wie Mobileye, das führende Unternehmen für Assistenzsysteme in Autos, aufgekauft. 15,3 Milliarden Dollar zahlte Intel für das 1999 gegründete Unternehmen (Jungle World 16/2017). Diese Unternehmen entwickeln Produkte und Technologien in einer Menge, die für ein so kleines Land wie Israel mit weniger als neun Millionen Einwohnern erstaunlich ist. Neben der Tropfenbewässerung, dem Epiliergerät und der Kirschtomate wurden der USB-Stick, das Solarfenster, Mini-Kameras für medizinische Untersuchungen, 3D-Drucker, die GPS-Navigationssoftware Waze oder WeZu, ein Programm, mit dessen Hilfe potentielle Terroristen erkannt werden können, in Israel entwickelt.

Allerdings hatte Israel auch keine Alternative, als auf eigene technische Entwicklungen zu setzen, und die Gründe waren nicht nur wirtschaftlicher Natur. Es ging schlicht ums Über­leben. Um in der Wüste und im Ödland Landwirtschaft betreiben zu wollen, waren die jüdischen Bauern darauf angewiesen, klug mit dem wenigen Wasser zu haushalten. So entwickelten sie die besten Techniken der Welt, um mit jedem Liter Wasser möglichst viele Lebensmittel herzustellen. Die Not machte die Wüstenbauern erfinderisch.

Doch auch die Gefahren, die von der seit dem ersten Tag bestehenden militärischen Bedrohung ausgehen, haben dazu beigetragen, Israel zu einem Hightech-Standort werden zu lassen: »Wir sind ein kleines Land mit wenigen Menschen und müssen einfach unseren Gegnern technisch immer mehrere Schritte voraus sein«, sagt Arye Shalicar, Direktor für Auswärtige Angelegenheiten im Geheimdienst­ministerium im Büro des israelischen Ministerpräsidenten. In allen Teilen der Armee und der Geheimdienste habe es immer Abteilungen gegeben, die sich der technischen Entwicklung gewidmet hätten.

Das führte auch zum Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie, auch um sich vor Boykotten zu schützen. Dazu gehören staatliche Unternehmen wie Rafael, das unter anderem das Raketenabwehrsystem Iron Dome herstellt, und private wie Elbit Systems, das das Feuerleitsystem für den Panzer Merkava pro­duziert.

Für Shalicar hat die ständige Bedrohung die Menschen in Israel geprägt. Es falle ihnen nicht sehr schwer, es als Unternehmer zu versuchen und das Risiko des Scheiterns einzugehen: »Wer in Israel lebt, ist es gewohnt, mit außergewöhnlichen Situationen klarzukommen. Israelis sind Abenteurer. Das passt gut zur Mentalität, die man braucht, um ein Start-up zu gründen.« Und die Armee sei hilfreich dabei, die richtigen Kontakte zu finden: »Menschen, die gemeinsam bei der Armee waren und auch Gefahren durchgestanden haben, vertrauen einander. Wenn die nach der Armeezeit ein Unternehmen gründen, haben sie enge persönliche Bindungen, die auch halten, wenn man unter Druck gerät.«