Die CSU will mit Politik gegen Flüchtlinge Stimmen sammeln

Untertöne für Untertanen

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Nur aus der CSU gibt es keine Untertöne mehr. Begeistert von der eigenen Regierungspotenz pöbelt man in zünftiger Offenheit fröhlich vor sich hin. Etwa beim Beispiel Ellwangen, wo sich Migranten mit einem jungen Mann aus Togo solidarisierten und kurzfristig dessen Festnahme verhinderten. Der 23jährige sollte nach der Dublin-Verordnung, also ohne inhaltliche Prüfung seines Asylantrags, nach Italien überstellt werden. Dort leben nach Angaben von »Ärzte ohne Grenzen« bereits ­Tausende wohnungslose Flüchtlinge unter widrigsten Bedingungen am Rande der Gesellschaft. »Unser Protest war bestimmt, aber zu jedem Zeitpunkt friedlich«, sagten die ungehorsamen Mitbewohner in Ellwangen anschließend. Für Bundesinnen- und -heimatminister Horst Seehofer (CSU) war es dennoch ein »Schlag ins Gesicht der rechtstreuen Bevölkerung«. Dass diese prompt zurückschlug, indem sie dem Rechtsanwalt des jungen Togoers Morddrohungen schickte, wurde indes von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt übertönt, der eine veritable ­Verschwörung herbeifantasierte: »Die Antiabschiebeindustrie nutzt die Mittel des Rechtsstaates, um ihn durch eine bewusst herbeigeführte Überlastung von innen heraus zu bekämpfen.« ­Tatsächlich dürfte eher das Gegenteil der Fall sein, denn viele Negativbescheide des BAMF scheinen weniger der Rechtslage als politischem Druck zu folgen. Anders ist kaum zu erklären, dass 2017 rund 44 Prozent der Verfahren ­gegen BAMF-Bescheide zugunsten der Asylsuchenden ausgingen. Wie hoch wohl die Fehlerquote in den neuen Ankerzentren sein wird? Man wird es vielleicht nie erfahren.

Schließlich soll die Isolation der Asylsuchenden auch die Rechtsberatung erschweren, während zugleich die zivilgesellschaftlichen Helfer der einst von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgerufenen Willkommenskultur mit immer neuen Abschreckungsmaßnahmen traktiert werden. Wie im Fall einer Gießener Gruppe von Flüchtlingspaten, die vom Jobcenter für den Unterhalt ihrer Schützlinge zur Kasse gebeten werden.

Mit den Ankerzentren soll derartiges solidarisches Handeln von vornherein unterbunden werden. Unklar ist noch, wer die Lager sichern und kontrollieren soll. Seehofer sieht diese Aufgabe bei der Bundespolizei. Deren Interessenvertretungen sind gar nicht begeistert von der Idee. »Mit uns nicht«, sagte beispielsweise Jörg Radek, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die ein zehnseitiges Protestschreiben an die Bundestagsfrak­tionen von CDU/CSU, SPD, Linkspartei und Grünen verschickte. Unter anderem heißt es darin, die Ankerzentren seien mit dem deutschen Recht unvereinbar. Eine »Haft ohne richter­lichen Vorbehalt« verstoße gegen Artikel 104 des Grundgesetzes. Auch bringe die »Internierung oder Freiheitsent­ziehung« letztlich keine schnelleren Asylentscheidungen. Davon abgesehen wolle man nicht zur »Lagerpolizei« werden, so Radek.

Seehofer dürften solche Einwände einerlei sein. Er hat mit dem Thema Ankerzentren vor allem eines klargestellt: Wer CSU wählt, wählt Abschiebung. Das freut den deutschen Untertan: Dem jüngsten »ARD-Deutschlandttrend« zufolge hat der CSU-Vorsitzende bei der Zufriedenheit der Wählerschaft im Vergleich zum März zwölf Prozentpunkte hinzugewonnen und liegt nun bei satten 47 Prozent. Angst machen, Stimmen fischen, denunzieren. Rechts von der CSU die Wand. Die nächste Wahl steht an.