Homestory

Homestory #21

Kulturen haben es nicht einfach bei der Jungle World. Damit sind nicht die Schimmelkulturen gemeint, die sich ab und zu immer noch sichten lassen in der Redaktionsküche, wenn sie auch seit Einführung unseres mehr oder minder streng befolgten monatlichen Subbotnik deutlich dezimiert wurden. Es geht vielmehr um diese seltsame Mischung aus Traditionen, Gebräuchen, Kleidung, Musik, Tänzen, Essen, Dialekten gar und oft noch Religionszeug, die irgendwie mit bestimmten Menschengruppen verbunden wird und die Menschen mit dieser. Kultur kann durchaus einmal lecker schmecken, wenn es etwas mit Kokosnuss gibt, oder praktisch sein, wenn man später aufstehen oder unpünktlich sein darf, aber mit Kultur wird auch ganz viel Mist begründet beziehungsweise Schönes verboten. Beispiele? Lesen Sie doch einige Artikel in einer beliebigen Ausgabe und schon werden Sie fündig, achten Sie auf Stichworte wie »Leitkultur«, »Bayern«, »cultural appropriation« oder »Islam«.

Oder kommen Sie zum nächsten »Karneval der Kulturen« nach Berlin. Den diesjährigen vom 18. bis 21. Mai haben Sie zum Glück schon verpasst. Denn was ist schlimmer als Kulturen? Richtig, Karneval. Obwohl der Karneval ja auch schon als Teil mancher Kulturen gilt. Verwirrend. So auch das Infoblatt zum »Karneval der Kulturen«, das uns in der Redaktion bereits Wochen zuvor erreichte, da wir das Glück haben, dass die Route des Umzugs genau an unserem Bürogebäude vorbeiführt, mittendrin im kulturellen Schlamassel.

Viel Schönes wird im Infoblatt aufgelistet, das verboten ist, in deutscher Reinkultur sozusagen: Fahrrad- und Skateboardfahren zum Beispiel, Demonstrieren, auf Bäume zu klettern, alkoholische Getränke und Tiere mitzuführen.

Nun ja, dafür wurde auch einiges geboten: ohrenbetäubender Lärm (aber nur offiziell genehmigter), Menschenmassen und – damit man den Spaß nicht so schnell vergisst – jede Menge Scherben. Bestimmt steckt die Antifahrradlobby hinter dieser Kulturkatastrophe. Immerhin hatten wir am Montag frei dank der christlichen Kultur, die Deutschland viele Feiertage schenkte, und mussten daher nicht ins von Karnevalistinnen und Karnevalisten belagerte Büro kommen. Die Stadt Berlin zeigt aber Problembewusstsein. »Eine Veranstaltung mit vielen Besuchern und Akteuren ­bedeutet neben Lebenslust und Genuss auch eine Belastung für die Umwelt«, heißt es zum diesjährigen »Karneval der Kulturen«.

Wir haben da eine Lösung parat: Kulturen und Karneval abschaffen! Und stattdessen bitte Ruhe und Alkohol in bruchsicheren Gefäßen.