Essay - Beim Women’s March ist eine islamophile Querfront am Werk

Islamophile Querfront gegen Frauenrechte

Seite 3 – Linda Sarsour, Islamist of the Year 2017

Als »falsche Feministin« wurde ­Sarsour das erste mal öffentlich bezeichnet, nachdem sie über die ­Islamkritikerin Aayan Hirsi Ali, ein Opfer von weiblicher Genitalverstümmelung, auf Twitter schrieb: »Brigitte Gabriel (eine libanesisch-amerikanische Journalistin und Islamkritikerin; Anm. der Redaktion) = Ayaan Hirsi Ali. Ich wünschte, ich könnte ihnen ihre Vagina wegnehmen ­ Sie verdienen es nicht, Frauen zu sein.« Ali war es auch, die darauf hinwies, dass Sarsour bereits des ­Öfteren, nämlich sowohl 2011 als auch 2015, auf Twitter die Sharia propagiert hatte. Angesprochen auf die patriarchalen Verhältnisse in mehrheitlich islamischen Ländern, reagierte Sarsour – ebenfalls auf Twitter – wie folgt: »Es gibt muslimische Länder, die Frauen zur Präsidentin haben, verdammt noch mal. In Saudi-Arabien, eurem Schreckgespenst eines ­islamischen Staates, sitzen Frauen im Parlament.« Zur damals noch in Saudi-Arabien geltenden Kopftuchpflicht als Instrument der tatsächlich existierenden Apartheid, nämlich der islamischen Geschlechter­trennung, sagte sie am selben Tag im Jahr 2015: »Zu eurer Information: Das vorgeschriebene Verhüllen des Kopfes für muslimische Frauen in Saudi-Arabien ist ihr geringstes ­Problem. Hört auf, es zu einem solchen Thema zu machen. Das ist es nicht.« Die Aussagen strotzen nur so vor kulturrelativistischer Gesinnung und widersprechen außerdem weitgehend den Fakten, was wegen des stets von der amerikanischen Neuen Linken vorgebrachten Vorwurfs des »Postfaktischen« an die Alt-Right-Bewegung an Ironie kaum zu überbieten ist: So wurde es saudischen Frauen 2015 lediglich ermöglicht – und zwar zum ersten Mal und ausschließlich auf Kommunal­ebene – ein aktives und passives Wahlrecht auszuüben, wobei auch dies nur eingeschränkt möglich war: Human Rights Watch berichtete von ­Beschwerden von Frauen, denen unter anderem der Nachweis der Iden­tität und des Wohnsitzes erschwert worden sei. Des Weiteren sei es ­ihnen nicht gestattet gewesen, mit männlichen Wählern zu sprechen oder sich mit Männern in denselben Wahlkampfbüros aufzuhalten. ­Außerdem wird Frauen in Saudi-Arabien erst ab Mitte 2018 das Auto­fahren gestattet. Das Gesetz wurde bereits verabschiedet, doch die Verwirklichung nimmt aufgrund der Einschulung und Vorbereitung von Fahrlehrern und Verkehrspolizisten auf Frauen als Verkehrsteilnehmerinnen eine längere Dauer in Anspruch, da in den meisten gesellschaftlichen Bereichen Frauen und Männer von­einander getrennt leben müssen. Und niemandem ist das informelle Brauchtum entgangen, dem zufolge Frauen ohne männliche Begleitung ihr Zuhause nicht verlassen dürfen, was sich ebenso repressiv auf etwaige Besuche von Wahlkabinen und ­-büros wie auch Fahrstunden – ergo, auf die Ausübung des Wahlrechts wie auch der Mobilität von Frauen – auswirkt.

Alle Linken, die vom postmodernen »identitarian turn« der US-amerikanischen Neuen Linken beeinflusst sind, sehen sich dazu gezwungen, in der Tradition der Sprechorttheorie ausschließlich im Westen aufgewachsene Musliminnen zu den Themen der feministischen Islamkritik, des Islam und seiner Riten oder des Rassismus gegen Muslime anzuhören.

 

Universalismus versus Umma

In der bisherigen Berichterstattung über Linda Sarsour und den ­Womens March wurde ein Artikel der englischsprachigen Sektion des Nachrichtensenders und Online-Magazins Al Arabiya aus dem Jahre 2007 völlig ausgeblendet, der Sarsour mit folgender Aussage wiedergibt: »Sie wird, wie sie sagt, ihre Töchter jedoch nicht bitten, eine arrangierte Ehe einzugehen. Alles, was sie für sie will, ist, dass sie einen Mann aus­suchen, der Muslim und Araber ist, und das wäre dann genug der Tradi­tion.« In dem Interview hieß es weiter, dass für Sarsour Zwangsehen nichts Verwerfliches darstellen, da sie nicht an die Ehe aus Gründen der Liebe glaube, diese arrangierte Form der Heirat nun mal Tradition sei und weil sowohl ihre Eltern als auch ihr zukünftiger Ehemann, der sie auswählte, damit einverstanden waren, sie an der Universität studieren zu lassen. Sarsour spricht sich also in einem demokratischen, westlichen Staat für die Möglichkeit aus, sich freiwillig dazu zu entscheiden, ein Kopftuch zu tragen oder sich von den Eltern an einen fremden muslimischen Araber verheiraten zu lassen, sich also freiwillig und aktiv für die Fortführung misogyner Bräuche zu entscheiden.

Alle Linken, die vom postmodernen identitarian turn der US-amerikanischen Neuen Linken beeinflusst sind, sehen sich dazu gezwungen, in der Tradition der Sprechorttheorie ausschließlich im Westen aufgewachsenen Musliminnen zu Themen der ­feministischen Islamkritik, des Islam und seiner Riten und des Rassismus gegen Muslime anzuhören. Was dabei vergessen wird, sind die von Anhängerinnen dieser Theorie üblicherweise stets ins Feld geführten »Privilegien«, über die Kopftuchfeministinnen wie die in Österreich lebende Konvertitin Carla Amina Baghajati (Islamische Glaubensgemeinschaft, ­Initiative muslimischer Österreicher­Innen), die Deutsche Kübra Gümüşay und Linda Sarsour verfügen. In ­Sarsours Fall kann von einer arrangierten Ehe, allerdings nicht von ­einer mit Zwangscharakter gesprochen werden; allen der eben genannten »Menschenrechtlerinnen« steht es frei, sich für oder gegen das Kopftuch zu entscheiden. Dass die materiellen Verhältnisse der jewei­ligen Frau, aber auch der vom Staat und familiären und sozialen Umfeld getragenen Ideologie und der daraus resultierenden Form der patriarchalen Gewalt stets ausgeblendet werden, führt dazu, dass Intersektionalität gegenüber internationaler Solidarität Priorität einnimmt.

Aufgrund von angeblicher oder tatsächlicher Privilegien, die es stets zu reflektieren gelte, wird weißen Männern qua ihrer Haut­farbe und ihres Geschlechts jegliches Vermögen zur Empathie, Rationalität und Vernunft und somit die Möglichkeit
der Solidarität abgesprochen.

Die antiuniversalistisch-manichäischen Intersektionalitäts- und Privi­legientheorien basieren nämlich auf einer antagonistischen, dichotomen Konstruktion und stellen Männern, Weißen und Heterosexuellen als ­Unterdrückern Frauen, Nichtweiße und Homosexuelle als Unterdrückte gegenüber. Da diese Kategorien und die sogenannten Privilegien als ­immerwährend dargestellt werden, schaffen diese Theorien es nicht, ­ethnisch oder religiös motivierte Konflikte in Europa, Afrika und Asien darzustellen oder Antisemitismus und beispielsweise sexuelle Übergriffe durch nichtweiße Männer zu fassen, da die Trennlinien dieser Theorien entlang weiß und nichtweiß, hetero- und homosexuell, weiblich und männlich oder »cis-« und transgeschlechtlich verlaufen und Opfer niemals Täter (und umgekehrt) sein können. Aufgrund angeblicher oder tatsächlicher Privilegien, die es stets zu reflektieren gelte, wird weißen Männern qua ihrer Hautfarbe und ihres Geschlechts jegliches Vermögen zur Empathie, Rationalität und Vernunft und somit die Möglichkeit der theoretischen wie auch praktischen Solidarität abgesprochen. Außerdem werden sie als die ausschließlichen Unterdrücker angesehen – wie Trump, den es inhaltlich zu kritisieren gilt, aber weder wegen seines Geschlechts noch seiner ­Hautfarbe. Zu den Unterdrückern zählen allerdings laut den Vertreterinnen des Women’s March und ihren Anhängerinnen nicht das iranische Regime, nicht weibliche Stammes­älteste, die junge Mädchen beschneiden, nicht terroristische Palästinenser. »Opfer« und »Heldinnen« sind demnach Frauen wie Linda Sarsour, die zur Umma größerer Affinitäten als zum Universalismus aufweisen. Sie sind tendenziell die ersten, denen im »Karneval der Kulturen« (Clemens Nachtmann) die Möglichkeit zur ­öffentlichen Meinungsäußerung zugestanden wird.

Bei genauerer Betrachtung eben jener Äußerungen bleibt jedoch bis auf die Propagierung des dem Islam immanenten Antiamerikanismus und Antisemitismus nicht viel übrig. Doch die Organisatorinnen des Women’s March schreien lauter als Frauen, die vor solchen islamischen Zwängen fliehen oder gegen diese ankämpfen, Frauen wie Vida Mohaved, Masih Alinejad, Aayan Hirsi Ali und Mina Ahadi. Es gilt, sich mit diesen zu solidarisieren und wieder Folgendes in politischen Kämpfen geltend zu machen: Es ist »nicht wichtig, wer du bist, sondern woran du glaubst«.