Die paramilitärische »Kosaken«-Miliz soll bei der WM für Ruhe sorgen

Ungezügelt maskulin

Während der Fußball-WM in Russland übernehmen ­paramilitärische Gruppen polizeiliche Aufgaben. Für die heimische Opposition verheißt das nichts Gutes.

Wenn in zwei Wochen Fußballfans aus aller Welt nach Russland reisen, werden sie auch den Mitgliedern eines ganz besonderen Traditionsvereins, den sogenannten Kosaken, begegnen. Ihm gehören die Männer in Tarnanzügen und mit pelzbekränzten Hüten an, die Anfang Mai gemeinsam mit der Polizei öffentlichkeitswirksam über eine Demonstration der Oppositionsbewegung um Aleksej Nawalnyi hergefallen sind. Die Miliz, die seit einigen Jahren immer öfter als Hilfspolizei agiert, soll auch während der Weltmeisterschaft für Ordnung sorgen.

Da werden sie vermutlich weniger die zugereisten Fans als vielmehr die heimische Opposition ins Auge fassen. Bereits bei einer Protestaktion während der olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 hatten Mitglieder der Band Pussy Riot Bekanntschaft mit den Milizionären und ihren Nagaika genannten traditionellen Lederpeitschen gemacht.

Die seit einigen Jahren verstärkt vom Staat finanzierten Milizen agieren als eine Art putinistische Sittenpolizei. Die Kosaken überfallen Kunstgalerien und regimekritische Theaterveranstaltungen und machen in Städten Jagd auf Migranten. Doch auch bei der Annexion der Krim und in Gefechten gegen ukrainische Regierungstruppen im Donbass mischten sie kräftig mit.

Historisch handelt es sich bei den Kosaken um eine Art Kriegerkaste, die sich eher über ihren sozialen Stand als über ethnische oder nationale Zugehörigkeit definiert. Ihre Geschichte, deren Schauplätze vorwiegend die Ukraine und Russland waren, ist wechselvoll und widersprüchlich. Einerseits standen die russischen Kosaken vor allem seit dem 19. Jahrhundert treu an der Seite der Zaren, andererseits galten sie selbst als aufrührerisch. Ihre enge Bindung an die orthodoxe Kirche machte sie zu unversöhnlichen Gegnern des Osmanischen Reichs und motivierte sie zu antijüdischen Pogromen. Zu Sowjetzeiten wurde die Kosakenkultur dann im Zuge der »Dekosakisierung« brutal unterdrückt.

Die kulturelle Beschlagnahme der historischen Kosaken durch die heutigen Neo-Kosaken ist weitgehend fiktiv. Zwar bemühte sich bereits der russische Präsident Boris Jelzin um die Wiederbelebung des Kosakentums, doch an eine lebendige Kultur konnte er dabei nicht anknüpfen. Umso ungestörter lässt sie sich heute unter der Herrschaft Wladimir Putins romantisieren. Ihre zutiefst konservativ-religiös und militärisch-patriotisch dargestellte Geschichte fügt sich wunderbar ein in eine eng an die orthodoxe Kirche angelehnte nationalistische Staatsideologie, die sich nicht zuletzt durch die Abgrenzung von der »postheroischen Kultur« des Westens definiert.

In den von einem eigens geschaffenen »Präsidialrat für Angelegenheiten des Kosakentums« betreuten Verbänden der Gegenwart sind daher verschiedenste Personengruppen organisiert. Der durchschnittliche Kosake von heute sei ein »Mann mittleren Alters, der Tagträume über patriarchale Werte, ungezügelte Maskulinität und die glorreichen Taten imaginierter Vorfahren hat«, sagt der Historiker Brian Boeck. Wie die im April 2016 geschaffene Nationalgarde fügen sich die Kosaken in ein System paramilitärischer Verbände ein, die keiner demokratischen Kontrolle unterworfen, sondern allein Putin verpflichtet sind.

Der einstige Kreml-Berater Gleb Pawlowskij vermutet im britischen Magazin Independent, der vermehrte Einsatz von Kosaken – wie bei der WM – könnte für ein härteres Vorgehen gegen Proteste auf der Straße hindeuten. Was das heißt, hat Alexander Tkatschow, ehemaliger Gouverneur der Region Krasnodar, in einer Rede vor Polizeikräften im Jahr 2012 klargemacht: »Was ihr nicht dürft – die Kosaken dürfen es.«