Danger Dan veröffentlicht sein erstes Soloalbum

Immer in Bewegung bleiben

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Was Danger Dan auf seinem Album auch offenbart, ist, dass er die Leistunsorientierung ablehnt. Im Song »Die Grundvoraussetzung« ver­arbeitet er die Erfahrungen mit seinen diversen Jobs, die nötig waren, um zu überleben, die aber meistens schnell wieder vorbei waren. In der jetzigen Funktion als Musiker ist es aber nicht ausschließlich besser. ­Natürlich ist das Musikmachen Selbstverwirklichung, gleichzeitig aber auch Selbstausbeutung. »Ich war letztens in einem Büro, in dem die Räume nach Clubs benannt waren, man cool mit seinem Laptop auf der Couch sitzen konnte und alle sich geduzt haben«, erzählt er. Das sei ­Neoliberalismus pur, wenn der Job das Privatleben durchdringt. Niemand weiß mehr, wo die Arbeit aufhört und das Privatleben anfängt. Danger Dan ist sich dessen bewusst.

»Selbst wenn ich durch meine Time­line bei Facebook scrolle und mir Artikel zum Weltgeschehen durchlese, gehört das irgendwie zum Job. Als Künstler sollte ich ja informiert sein.«

»Ich halte es für einen romantisierten Blick, Rap als subversiv zu sehen. Es gibt einen antirassistischen Konsens, aber da hört die politische Haltung auch schon auf.« Danger Dan

Und was ist die Lösung? »Reflexionen aus dem beschönigten Leben« hat keine parat. Das Album gibt ohnehin überhaupt nichts vor, sondern lässt Spielraum für Eigeninter­pretationen. Das ist neben den unaufdringlichen Beats, die so vor sich hin dümpeln und nur manchmal urplötzlich durch Synthies furchtbar aggressiv werden, die größte Stärke. Dann ist da noch Danger Dans Stimme, die immer verschmitzt klingt, obwohl er doch fast durchgehend ­ernste Themen behandelt, sich mit Sexismus oder Selbstoptimierungswahn beschäftigt.

Ein Problem von Danger Dan und auch seiner Antilopen Gang ist, dass sie immer wieder als die lustigen Spinner mit den richtigen politischen Ansichten verkannt werden. Als die österreichische FPÖ einen Auftritt der in ihren Augen linksradikalen ­Antilopen Gang aufgrund ihres Songs »Atombombe auf Deutschland« ­verhindern wollte, setzte sich sogar ein SPÖ-Bürgermeister für die ­Gruppe ein. Dieser argumentierte damit, dass das ja alles nicht so ­gemeint sei. Danger Dan, der sich mit der Sozialdemokratie so gar nicht identifizieren kann, antwortet: »Ich habe erwidert, dass es kein Spaß ist, dass ich wirklich linksradikal bin.« Doch die Aussage verpuffte. »Natürlich werden wir vereinnahmt, doch ich finde es lustig, so in andere Welten wie in die ›Tagesschau‹ vorzudringen.«

Danger Dan ist inhaltlich eben nicht so harmlos, wie es einige ­Jugendsender und Politiker gerne hätten.

Auf »Piss in den Käfig« rappt er: »Brech’ den Mercedesstern ab, entleere den Säurebehälter, drei Liter Tinte in ner Sekunde durch einen Feuerlöscher.« Die Biederkeit der entmenschlichten Städte gefällt ihm nicht, »Macht kaputt, was euch kaputt macht« scheint ihm immer noch ein gutes Motto zu sein. Seine Antwort im Gespräch auf die Frage nach der Lösung des Selbstausbeutungsproblems ist: »Lohnarbeit bleibt immer Ausbeutung, Anarchosyndikalismus liegt mir mehr.«

Auf dem Song »Drei gegen einen« disst er zusammen mit seinen Antilopen-Gang-Kollegen Koljah und Panik Panzer die deutsche Rapszene, der er sich ohnehin nicht zugehörig fühlt. Sie sei nicht subversiv und küm­mere sich allein darum, von einem illusorischen sozialen Aufstieg zu ­erzählen, wirft er der Szene vor. Und weiter: »Ich halte es für einen romantisierten Blick, Rap als subversiv zu sehen. Es gibt einen antirassistischen Konsens, aber da hört die politische Haltung auch schon auf.« ­Außerdem stören ihn männliche Rapper, die ihre Körper stählen, zu unglaublichen Leistungsmaschinen werden und in ihrer Musik nur noch darüber sprechen, dass Erfolg kein Glück, sondern harte Arbeit sei. Vielleicht ist auch diese regressive Tendenz des Deutschrap ein Grund dafür, dass Danger Dans »Sommerlüge« weiterhin fast der einzige ­Rapsong ist, der Antisemitismus zum Thema macht. Er kann das nicht nachvollziehen. »Es ist doch total schwierig, dieses Thema in Deutschland nicht wahrzunehmen. Es gibt antisemitische Anschläge, vor jüdischen Einrichtungen stehen Polizisten«, sagt er. »Aber die deutschsprachige Popmusik hat es geschafft, das Thema einfach zu umgehen.«

Wenn mit Ben Salomo einer der wenigen jüdischen Vertreter der Rapszene seine Karriere mit der Begründung beendet, dass er es nicht mehr in Deutschland aushält und überlegt, nach Israel zu gehen, müsste das eigentlich kritisches Nachdenken provozieren. Doch nur Danger Dan übernimmt diese Aufgabe auf ­»Reflexionen aus dem beschönigten Leben«. Er hinterfragt die Szene und sich selbst – auch wenn man sich auf einigen Songs erst am Klamauk vorbeiarbeiten muss, um zu den kritischen Aussagen vorzudringen.


Danger Dan: Reflexionen aus dem beschönigten Leben (JKP)