Die Deutsche Bank steckt in einer schweren Krise

Ein Global Player will nach Hause

Die Deutsche Bank hat Probleme: eine Vielzahl an Klagen, schlechte Ratings und ein niedriger Aktienkurs. Am bisherigen Tiefpunkt ­angelangt, könnte sich die Neuausrichtung des größten deutschen Finanzunternehmens nun beschleunigen.

Man kennt das schon: Wenn die Probleme zu groß werden und die allzu ­offensichtlichen Kosten für die Gesellschaften nicht mehr geleugnet werden können, geloben auch die Funktionäre des Kapitals Besserung – um dann doch weiterzumachen wie bisher. Immerhin sind die Rituale der Selbst­kritik häufig lustig anzusehen, wenn man ­ihnen keinerlei mittel- oder gar langfristige Bedeutung beimisst. Was den Unterhaltungswert anbetrifft, nehmen die Verantwortlichen der Deutschen Bank dabei seit Jahren Spitzenplätze ein.

Unvergessen sind etwa die Auftritte des früheren Vorstandsvorsitzenden ­Josef Ackermann. Bereits kurz nach Beginn der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 sagte er: »Ich glaube nicht mehr an die Selbstheilungskraft der Märkte.« Dass ausgerechnet er das Funktionieren kapitalistischer Marktmechanismen anzweifelte, hatte freilich Gründe: Es ging Ackermann um staatliche Hilfen für seinen Konzern. Und nach den ersten Klagewellen gegen das Finanzinstitut – mehr als 1 000 Klagen mit jeweils mindestens sechsstelligem Streitwert ­haben sich gegen Deutschlands global player auf dem Finanzmarkt mittlerweile angesammelt, jüngst kam noch eine milliardenschwere Kartellklage in Australien hinzu – verkündete er, man habe die Lehren aus der Krise längst gezogen.

Insbesondere die zu erwartenden Handelskriege Deutschlands mit den USA dürften der Deutschen Bank neue und profitable Geschäftsfelder eröffnen.

Kein Geschäft sei es wert, »den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen«, sagte der Schweizer noch 2011. Dieser Ruf ist jedoch selbst nach einigen Führungswechseln kaum noch zu retten. Den Versuch unter­nehmen die Verantwortlichen dennoch.
So gab sich in der vergangenen Woche auch der neue Mann an der Spitze, Christian Sewing, überaus zerknirscht. In einem Brief an die Mitarbeiter schrieb er, er wolle »nichts schönreden«, die Nachrichtenlage sei nicht gut. »Mir ist bewusst, dass Sie angesichts der aktuellen Schlagzeilen das Gefühl haben müssen, unsere Bank komme überhaupt nicht mehr zur Ruhe«, so ­Sewing weiter, um dann doch Entwarnung zu geben: »Man hat Vertrauen in uns, dass wir den erforderlichen Wandel schaffen. Dieses Vertrauen, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir nicht enttäuschen.«

Welches Vertrauen der Vorstandsvorsitzende damit gemeint haben mag, bleibt der Spekulation überlassen. Das der US-amerikanischen Aufsichtsbehörden und Rating-Agenturen jedenfalls kann es nicht gewesen sein. Denn gerade erst war der dortige Zweig der ­Deutschen Bank, der unter dem ­Namen Deutsche Bank Trust Company Americas (DBTCA) firmiert, von dem US-Einlagensicherungs­fonds FDIC auf die Liste der »Problembanken« gesetzt worden, deren Geschäftsrisiken ihre Existenz gefährden könnten. Mit ihrer Bilanzsumme von mehr als 40 Milliarden US-Dollar ist die DBTCA das mit ­Abstand größte Institut auf dieser Hochrisikoliste, sie verfügt über fast viermal so viel Kapital wie alle anderen dort erfassten Banken zusammen. Dem ­vorausgegangen war dem Wall Street Journal zufolge eine Herab­stufung des Unternehmens durch die US-Zentralbank Federal Reserve, die ­bereits vor etwa einem Jahr stattgefunden haben soll.

Dass dies das Vertrauen auch in den Mutterkonzern nicht gestärkt hat, ­wurde deutlich, als die Rating-Agentur Standard & Poor’s die Bonität des ­Gesamtkonzerns kurz darauf von dem bereits sehr mittelmäßigen Wert A- auf BBB+ senkte; ein Wert, den Fitch, die zweite der drei großen Agenturen, bereits im vergangenen Jahr an Deutschlands Branchenführer vergeben hatte. Mittlerweile hat auch Moody’s, die dritte Agentur im Bunde, eine Herabstufung angekündigt. Der Deutschen Bank drohen damit höhere Finanzierungs­kosten an den internationalen Kapitalmärkten, was die Gewinne im Kredit­geschäft über längere Zeit belasten könnte.

Dass der Wert der Aktien des Instituts am Tag nach der Ankündigung um sieben Prozent abstürzte und sich seitdem nur unwesentlich erholte, verwundert da nicht und spricht auch kaum für den von ­Sewing herbeigere­deten Vertrauensvorschuss seitens der Aktionäre. Immerhin sprach Sewing den Absturz an. »Ja, der Aktienkurs notiert auf einem ­historischen Tief. Aber wir werden beweisen, dass wir eine andere Bewertung an den Finanzmärkten verdient haben. Wir haben viel ­geschafft, ­worauf wir stolz sein können«, heißt es in dem Brief an die Mitarbeiter.

 

Was genau Anlass zum Stolz geben soll, erwähnte Sewing jedoch nicht. Der Gewinn war im vergangenen Quartal auch ohne die Hiobsbotschaften aus New York auf 20 Prozent des bereits mageren Vorjahresergebnisses eingebrochen, hatte also lediglich 120 Mil­lionen Euro betragen, während Konkurrenten wie JP Morgan oder Goldman Sachs Rekordgewinne von umgerechnet fast drei beziehungsweise weit über zwei Milliarden Euro erzielt hatten. Man habe sich letztlich auf dem Investmentmarkt nicht gegen die US-Konkurrenz durchsetzen können, hatte Sewing selbst bei seiner Postenübernahme vor wenigen Monaten eingestanden. Von einer »Kapitulation der Deutschen Bank« hatte Spiegel Online nach Verkündung der Zahlen und der vom neuen Vorstandsvorsitzenden verkündeten Neuausrichtung der Bank im April geschrieben.

Die derzeitige Krise der Bank, die tatsächlich an ihrem Tiefpunkt angekommen zu sein scheint, könnte eine strategische Wende nach sich ziehen. Die angekündigte Streichung mehrerer Tausend Stellen im Bereich des Investmentbanking, die einem weitgehenden Rückzug aus diesem Geschäftsbereich gleichkommen würde, und die von Sewing immer wieder betonte stärkere Konzentration auf das Geschäft mit Privat- und vor allem Geschäftskunden, die zudem mit einer »Rückbesinnung auf ­unsere Heimatmärkte in Deutschland und Europa« einhergehen könnte, wie es in einer Presse­mitteilung der Deutschen Bank vom April hieß, könnten also beschleunigt werden.

Jedenfalls scheint ausgemacht, dass das mit Abstand wichtigste deutsche Finanzinstitut sich zukünftig wieder eher als Finanzierer der deutschen und darüber hinaus auch europäischen Exportwirtschaft etablieren will – wie die Bank ihre Rolle traditionell seit der Gründung 1870 verstanden hatte –, statt Ackermanns Traum vom global player weiterzuverfolgen. Die Kassen sind immerhin gut gefüllt: Trotz der geringen Profitabilität zählen die Liquiditätsreserven der Bank von 279 Milliarden Euro weiterhin zu den höchsten der Welt. Und insbesondere die zu erwartenden Handelskriege Deutschlands und anderer europäischer Länder mit den USA dürften der Bank neue und profitable Geschäftsfelder eröffnen, etwa in der Finanzierung von Unternehmen, die dann auf die Dienste europäischer Banken angewiesen sind. Das könnte ihren Ruf zumindest hierzulande auch wieder deutlich verbessern: als spezifisch deutsche Bank.