Die EU ist mit der Sparpolitik der griechischen Regierung zufrieden

Die Troika geht, die Sparpolitik bleibt

Die von der linken Partei Syriza geführte griechische Regierung hat die Austeritätspolitik zur Zufriedenheit der EU durchgesetzt. Frühere Regierungen hätte das wohl die Wiederwahl gekostet, doch der nationalistische Obskurantismus der Nea Dimokratia schwächt die konservative Opposition.

Eines der absurdesten Probleme in der bewegten Geschichte des Landes scheint endlich gelöst. Am 17. Juni einigte sich Griechenland mit seinem Nachbarland im Streit um den Namen »Mazedonien«. Nach monatelangen Verhandlungen vereinbarten beide Staaten, dass die »Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien«, so die bisherige offizielle Bezeichnung, nun in »Nordmazedo­nien« umbenannt wird. Die Einigung erfolgte unter dem Druck der USA, die ein Ende des Streits wünschten, damit Griechenland sein Veto gegen die Aufnahme Mazedoniens in die Nato zurücknimmt. Die EU hatte ebenso Interesse daran, die lange Blockade durch Griechenland zu beenden, um in den Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien voranzukommen. In Griechenland ­hingegen gab es heftige nationalistische Proteste gegen die Vereinbarung.

Man sollte meinen, das Land habe wichtigere Probleme. Am 14. Juni hat das Parlament weitere Einsparungen in Höhe von zwölf Milliarden Euro ­beschlossen. Die 2010 begonnene Austeritätspolitik hatte von Anfang an ­katastrophale Folgen, seit 2015 intensivierte die regierende Koalition aus der linken Syriza und der rechtspopulistischen Anel sie weiter. Zwar hat diese Regierung in einigen Bereichen Verbesserungen erreicht, etwa Fortschritte bei der Rechtsgleichheit von LGBT. Teile der Gesundheitsversorgung wurden reformiert, so ist der Zugang zum – drastisch verringerten – Angebot wieder für alle kostenlos, egal ob versichert oder nicht. Aber diese Veränderungen ­waren von weiteren Renten- und Lohnkürzungen begleitet, der Einführung ­einer »Schuldenbremse« – automatische Kürzung der Staatsausgaben, wenn die Sparziele nicht erreicht werden –, ­einem bizarren Privatisierungsprozess – so wurde beim Verkauf von zwölf Flughäfen an den Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport eine ­Klausel eingefügt, die den griechischen Staat dazu verpflichtet, das Unter­nehmen zu entschädigen, sollten die Gewinne geringer als erwartet aus­fallen – und einer Maßnahme, die vorherige Regierungen nicht gewagt ­hatten: die Pfändung von Häusern, falls ihre Besitzer die Kredite nicht mehr bezahlen können.

So sind die Evaluierungsberichte der Troika nun gespickt mit positiven ­Anmerkungen über eine Regierung, die nicht nur die nötigen »Reformen« vornimmt, sondern auch Maßnahmen, die »über die eingangs in dem im ­August 2015 unterzeichneten Memorandum of Understanding vereinbarten Verpflichtungen hinausgehen«, so die EU-Kommission im Juli 2017. Doch die Austeritätspolitik ist unpopulär, daher konnte sich bislang keine Regierung, die den Sparkurs durchsetzte, lange halten.
Die Koalition aus Syriza und Anel ist sich dessen wohl bewusst. In Umfragen liegt die konservative Partei Nea ­Dimokratia mit ihrem proeuropäischen und wirtschaftsliberalen Vorsitzenden Kyriakos Mitsotakis vorn. Um diesen Vorsprung einzuholen, bleiben Syriza zwei Themen, mit denen sie sich von anderen Parteien absetzen will: der Kampf gegen Korruption und der gegen Rechtsextremismus.

Ein Korruptionsskandal erschütterte dieses Jahr die Nea Dimokratia. Der Pharmakonzern Novartis soll unter anderem den ehemaligen Ministerpräsidenten Antonis Samaras und weitere führende Politiker der Partei bestochen haben. Der Fall wird derzeit vor Gericht verhandelt.

Da die Verschuldung noch immer bei mehr als 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt, ist die Rückkehr Griechenlands auf den Finanzmarkt am 20. August ein abenteuerliches Unterfangen.

Noch verheerender dürfte für die konservative Opposition allerdings ihre Mazedonien-Politik sein. Die Syriza-Regierung schlug eine Lösung vor, der die Nea Dimokratia in der Vergangenheit bereits zugestimmt hatte – manche Parteimitglieder behaupteten nun, dies habe auf der Annahme beruht, dass es nie zu einem Abkommen mit Mazedonien kommen werde. Der Nea Dimokratia blieb nun nur die Wahl zwischen zwei gleich fatalen Optionen: Sie konnte entweder ihre konservative und nationalistische Wählerbasis ­beruhigen und das »verräterische« Abkommen ablehnen – und so der ­Neonazipartei Chrysi Avgi Stimmen abluchsen – oder ihr proeuropäisches Image pflegen und sich vom nationalistisch-faschistischen Lager distanzieren. Dies würde die rechtsextremen Wähler enttäuschen und könnte so Chrysi Avgi stärken. Die erste Option hingegen würde die Nea Dimokratia dem – unter anderem von Syriza erhobenen – Vorwurf aussetzen, ihre vorgebliche Modernisierungspolitik verberge nur ihre Verbindung mit der extremen Rechten. Die Nea Dimocratia hat sich schließlich für die nationalistische ­Option entschieden. Mitsotakis’ Ablehnung der Mazedonien-Vereinbarung war moderat formuliert, doch versuchen Mitglieder der Partei sich mit dem nationalistischen Mob zu verbünden, der die Syriza / Anel-Koalition des Hochverrats beschuldigt.
Die jüngst beschlossenen Austeritätsmaßnahmen pries die Regierung als letzte Reformen vor der erfolgreichen Absolvierung des Stabilitätsprogramms an. Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte, im August ende die »Memorandum-Ära«. Dass am 20. August das dritte »Rettungsprogramm« auslaufe und kein weiteres nötig sei, bestätigten die Finanzminister der Euro-Zone nach ihrer Sitzung am späten Donnerstagabend vergangener Woche. EU-Wirtschafts- und Finanzkommissar Pierre Moscovici verkündete optimistisch: »Die griechische Krise endet heute Nacht.« Allerdings, so Moscovici später in einem Interview mit Politico, ­be­nötige man nun anstelle der Überwachung durch die sogenannte ­Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Inter­nationalem Währungsfonds »etwas Neues«.

Für die von Deutschland beeinflussten Vertreter der Austeritätspolitik ist es unerlässlich, eine Erfolgsgeschichte zu präsentieren – andererseits aber soll Griechenland zu weiteren Sparmaßnahmen und wirtschaftsliberalen Reformen verpflichtet werden. Die »Schuldenbremse«, die Parlamentsentscheidungen umgeht, könnte als automatisierte Troika betrachtet werden, doch gilt zusätzliche Kontrolle als unerlässlich. Gelobt wurde die ­bemerkenswert konsequente Politik der Syriza/Anel-Koalition, die einen Überschuss im Primärbudget (Haushalt ohne Schuldendienst) erzielt hat.

Der Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 25 Prozent gemessen an der Zeit vor der Krise wurde jedoch noch nicht aufgeholt und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bleibt gering. Es gelang, mehr Steuern einzunehmen, doch vor allem, weil diese nun mit Kreditkarte bezahlt werden können – so werden die Schulden auf die Banken verlagert. Die Arbeitslosenrate sank zwar, aber vor allem wegen der durch wirtschaftsliberale Reformen erzwungenen Verbreitung von Zeit-, ­Saison- und Niedriglohnarbeit. Da die Staatsverschuldung noch immer bei mehr als 180 Prozent des BIP liegt, ist die Rückkehr Griechenlands auf den Finanzmarkt am 20. August ein abenteuerliches Unterfangen.

Um die Risiken zu mindern, erhält Griechenland mit dem letzten sogenannten Rettungsprogramm einen Kredit von 15 Milliarden Euro. Zudem ­werden die Laufzeiten von Krediten aus den Rettungsprogrammen verlängert und Griechenland erhält nun wieder die Gewinne, die die EZB und nationale Notenbanken erzielen, weil extrem billig erworbene griechische Anleihen zum Nominalwert zurückgezahlt werden – allein Deutschland verdiente ­damit bislang knapp drei Milliarden Euro. Das Geld erhält Griechenland ­allerdings nur, wenn die Austeritätspolitik fotgesetzt wird; »etwas Neues« ist der noch nicht genau festgelegte Überwachungsmechanismus, der die Troika ersetzen soll.

Griechenland verfügt über ein finanzielles Polster, so dass es nicht sofort nach dem 20. August zu Schwierigkeiten kommen dürfte. Am Problem der Überschuldung und dem sozialen ­Desaster ändert sich hingegen nichts. Der EU aber geht es um Stabilität, also um eine Fortsetzung der Austeritätspolitik – eine Aufgabe, die die Syriza/Anel-Koalition gegen erschreckend geringen Widerstand erfolgreich be­wältigt hat. Angesichts der desaströsen Politik der Nea Dimokratia könnte ­Syriza sogar gelingen, was für vorherige Regierungen wegen ihrer Sparpolitik unmöglich war: wiedergewählt zu werden.