Die Beteiligung des Council of Ex-Muslims of Britain an der London Pride stört manche LGBT-Aktivisten

Ein Gläschen auf die Blasphemie

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In der Antwort auf den Brief der Moscheegemeinde lud der CEMB zudem die Verantwortlichen sowohl des Muslim Council of Britain als auch der East London Mosque ein, die Hinrichtung von Homosexuellen und Apostaten in allen Ländern unter islamischem Recht (Sharia), ein ideales islamisches Kalifat eingeschlossen, zu ­verurteilen. Bisher sind beide Organisationen dieser Einladung nicht nachgekommen. Dennoch verteidigte ­al-Kadhi die East London Mosque.

Al-Kadhi beklagt sich in seinem ­Artikel zudem über den Alkoholkonsum im Rahmen der Pride. Er weist darauf hin, dass die Organisatoren explizit keine betrunkenen Veranstaltungsteilnehmer haben möchten, es aber viel Alkohol auf dem Umzug gebe. Das sei, so al-Kadhi, »schwierig« für abstinente oder fastende Muslime. Das läuft auf die Forderung hinaus, die Pride solle sich den religiösen Praktiken und ­Gefühlen von Gläubigen und Glaubensgemeinschaften unterordnen.

Hier zeigt sich der Wunsch nach Gängelung der anderen mit Rücksicht auf Religion, Tradition und Identität und ein autoritäres Weltbild, das beansprucht, nach Maßgabe willkürlicher religiöser Präferenzen individuelle Freiheiten einzuschränken. So werden jene Unterdrückungsmechanismen (samt ihrer Rechtfertigung) reproduziert, unter denen auch LGBT leiden mussten und leiden. Deren Abschaffung in vielen westlichen Demokratien ist dem langen politischen Kampf der Homosexuellen- und anderer emanzipatorischer Bewegungen zu ver­danken.

Was al-Kadhi sich für alle LGBT mit seinem Artikel erhofft – dass sie un­abhängig von Weltanschauung und ethnischer Zugehörigkeit stolz sein können –, spricht er den säkularen und religionskritischen unter ihnen de facto ab. Deren Kritik am Islam als einer homophoben politischen Doktrin dürfte, ginge es nach ihm, nicht geäußert werden, weil Gläubige sich dadurch verletzt fühlen könnten. Diversität scheint für al-Kadhi öffentliche Religionskritik, gar Blasphemie, nicht einzuschließen. Der CEMB hat hingegen niemals gefordert, muslimische LGBT sollten ihre religiöse Zugehörigkeit verschweigen oder diese nicht zeigen dürfen. Maryam Namazie und ihre Mitstreiter verfolgen lediglich das Ziel, die islamische Religion als das zu kennzeichnen, was sie vielerorts ist: eine teilweise tödliche Unterdrückungs- und Diskriminierungsideologie. Und sie wollen die eigene Freiheit von der Religion und ihr Recht auf Gotteslästerung feiern, schließlich haben die meisten von ihnen selbst erfahren, was es heißt, reaktionären Formen des Islam ausgesetzt zu sein.

Vergleichbare Debatten wie in Großbritannien gibt es auch anderswo, etwa im Umfeld der alternativen CSD in Berlin. Der Universalismus wird in Frage gestellt, da er angeblich gegen Muslime instrumentalisiert wird. Auf der diesjährigen London Pride wird der CEMB jedoch wieder vertreten sein – allen Empfindlichkeiten und Beschwerden reli­giöser Gruppen und ihrer Verbündeten zum Trotz. Es gibt auch Unterstützung. Die Beteiligung des CEMB sei »unerlässlich«, sagte Pragna Patel, Direktorin der Southall Black Sisters. Der Menschenrechtler Peter Tatchell bezeichnete den CEMB als »wertvollen Verbündeten« der LGBT sowie »aller fortschrittlichen Menschen überall«.

Der CEMB hat auf seiner Website angekündigt, in London unter dem Motto »Love is not a crime – in 15 countries they have the death penalty for homosexuality« (Liebe ist kein Verbrechen – in 15 Ländern gibt es die Todesstrafe für Homosexualität) abermals auf die tödliche Gefahr für LGBT unter islamischer Herrschaft hinzuweisen und für Säkularismus und Universalismus auf die Straße gehen. Dazu werden einige, ohne Rücksicht auf religiöse Befindlichkeiten und Verbotsforderungen, vermutlich auch ein Gläschen trinken.