US-Einfuhrzölle und Dieselfahrverbote bedrohen das Geschäft der deutschen Automobil­industrie

Mit Vollgas in den Handelskrieg

Die Vorstandsvorsitzenden der deutschen Automobilindustrie schauen mit großem Unbehagen auf die von US-Präsident Donald Trump ­angekündigten Einfuhrzölle. Mögliche bilaterale Vereinbarungen würden die EU weiter schwächen.

Immerhin einen Nutzen hat die ewige Baustelle für den neuen Berliner Großflughafen: Der Autokonzern Volkswagen (VW) hat großflächig Parkplätze dort gemietet. VW hat Probleme mit den neuen Abgastestregeln der EU, die am 1. September in Kraft treten. Dann dürfen nur noch Autos zugelassen werden, die den neuen Abgastest WLTP erfolgreich bestanden haben. Und weil das Unternehmen die Umstellung nicht rechtzeitig schaffen wird, muss es Fahrzeuge zwischenlagern, bevor sie aus­geliefert werden können. Mit der Anmietung großer Parkplätze hat VW ­Erfahrung – vor allem in den USA, wo der Skandal um manipulierte Abgastests seinen Anfang nahm. Dort dienten ein ehemaliges Football-Stadion in Detroit, die kalifornische Wüste und eine frühere Papierfabrik in Minnesota dazu, Hunderttausende von den Behörden aus dem Verkehr gezogener Fahrzeuge zu parken.

Möglicherweise brauchen deutsche PKW-Hersteller solche Plätze künftig immer häufiger auch in Deutschland. Denn sie könnten Probleme mit dem Export ihrer Fahrzeuge bekommen. Die schlechten Nachrichten aus Übersee reißen für die Branche nicht ab. US-Präsident Donald Trump schimpft seit Monaten öffentlich über Mercedes und andere und erwägt, die Zölle für PKW aus Europa auf 20 Prozent des Warenwerts zu erhöhen. Mit großem Unbehagen schauen deutsche ­Automanager auf die drohenden Zölle – und Politiker ebenso, denn die ­Autobranche gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft.

Ende Juli will die EU-Kommission in Washington mit der US-amerikanischen Regierung über Zollfragen sprechen. Bis dahin scheint kein Tag zu ­vergehen, an dem Trump den Handelsstreit nicht mit neuen Drohungen oder Ankündigungen anheizt. Er kann Zölle auf ausländische Autos ohne Zustimmung des US-Kongresses anheben. Denn ein Gesetz aus den Zeiten des Kalten Kriegs ermächtigt den Präsidenten, Zölle zu erheben, wenn die nationale Sicherheit in Gefahr ist. Vorher muss eine Kommission beim US-Handels­ministerium allerdings die Lage prüfen und Empfehlungen abgeben. Diesen Prozess hat Trump eingeleitet, er könnte also schon in Kürze die Zölle einführen.

Ökonomen beobachten die Lage mit Sorge, denn sie fürchten eine wechselseitige Eskalation bei den protektionistischen Maßnahmen, die in eine Weltwirtschaftskrise führen könnte.

Auf diese Weise hat er bereits Abgaben auf Stahl- und Aluminiumimporte aus der EU und weiteren Ländern durchgesetzt. Darauf hat die EU mit Gegenzöllen reagiert. Zugleich hat Trump einen Zollkonflikt mit China angezettelt, den die Regierung in Peking als »größten Handelskrieg in der Wirtschaftsgeschichte« bezeichnet. Ökonomen beobachten die Lage mit Sorge, denn sie fürchten eine wechselseitige Eskalation bei den protektionistischen Maßnahmen, die in eine Weltwirtschaftskrise führen könnte.
Zu den größten Verlierern würden exportorientierte deutsche Unternehmen gehören, allen voran BMW, Mer­cedes und VW. Die deutschen Autohersteller drohen in Trumps Handelskrieg doppelt unter Druck zu geraten. Die Zölle auf Importe in die USA verschlechtern ihre Absatzchancen dort. Zudem leiden sie unter den Vergeltungszöllen anderer gegen die Vereinigten Staaten. BMW ist der größte Exporteur von Autos aus den USA. Nach Angaben des Verbands der Automobilindustrie (VDA) werden die Hälfte der rund 800 000 PKW exportiert, die deutsche Hersteller in den USA anfertigen lassen.

Vor diesem Hintergrund muss den Automanagern ein Vorschlag des neuen US-Botschafters in Berlin, Richard Grenell, wie ein Friedensangebot erschienen sein. Grenell, ein Vertrauter Trumps, hatte Spitzenvertreter der Auto­industrie zu einem Treffen eingeladen und ihnen bei diesem vorgeschlagen, die EU und die USA könnten beim Handel mit Autos gegenseitig auf jeglichen Zoll verzichten. Der wirtschaftsnahen Tageszeitung Handelsblatt zufolge hat der Botschafter angeboten, außerdem auf sogenannte nichttarifäre Handelshemmnisse, beispielsweise Vorgaben für die Größe von Rückspiegeln, zu verzichten – ein Geschenk für die Auto­branche. Im ­Gegenzug sollen die deutschen Autohersteller mehr in den USA investieren und den Export aus den Vereinigten Staaten forcieren.

Es sei »besser, über weniger Zölle zu sprechen, anstatt die Lage über neue Strafzölle weiter zu eskalieren«, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Martin Wansleben. Auch der VDA begrüßte den Vorschlag. »Signale, die in Richtung des gegenseitigen Abbaus von Zöllen und ­anderen Handelsbarrieren gehen, sehen wir positiv«, hieß es.

 

Trumps Vorschlag ist jedoch alles andere als ein Friedensangebot. Er ist ein Affront gegen die EU-Kommission, die für Handelsfragen zuständig ist, und gegen die Bundesregierung, die Ansprechpartner der USA in Wirtschaftsangelegenheiten sein müsste. Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles reagierte entsprechend verstimmt. Der Welt am Sonntag sagte sie: »Wenn die amerikanische Regierung mit uns über Zölle reden will, ist das eine Sache zwischen dem Handelsminister in Washington und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Wir sind doch keine Bananenrepublik!«

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt dagegen auf Diplomatie. Sie sagte, sie sei offen für die Abschaffung von Zöllen – aber das müsse im bestehenden Rahmen von EU und WTO geklärt werden. »Das könnte durchaus eine Option sein«, sagte Merkel und verwies auf die Gespräche der EU-Kommission Ende Juli in Washington. Damit konterkariert die Bundeskanzlerin die Absicht, die hinter Trumps Vorschlag steckt. Der US-Präsident will die EU spalten, vor allem Frankreich und Deutschland auseinanderbringen.

Einer fehlte bei dem Tête-à-tête der deutschen Automanager mit dem US-Botschafter: der Vorstandsvorsitzende der Audi AG, Rupert Stadler. Er sitzt wegen der Dieselaffäre in Untersuchungshaft.

Zollfragen liegen in alleiniger Zuständigkeit der EU, Frankreich oder Deutschland alleine können hier nichts ausrichten.
Zudem verbieten es die Regeln der WTO, Zölle einseitig nur für einzelne Länder abzuschaffen. Will die EU Zölle nur den USA und nicht allen Handelspartnern erlassen, muss sie dafür ein Handelsabkommen mit den USA schließen, eine Art Mini-TTIP. Die deutsche Regierung hätte daran großes ­Interesse, die französische aber nicht. Denn die Wirtschaft in Frankreich würde von Zollsenkungen nicht im gleichen Maße profitieren.

Zurzeit sind auf PKW aus den USA in der EU zehn Prozent Zoll fällig, auf solche aus der EU in den Vereinigten Staaten 2,5 Prozent. Auf den ersten Blick erscheinen Trumps Klagen, die USA würden ungerecht behandelt, also berechtigt. Allerdings sind Zölle das Ergebnis langwieriger Verhand­lungen und Gegengeschäfte. Auf Pickups und Trucks zum Beispiel fallen bei Importen in die USA bis zu 25 Prozent Zoll an, bei Einfuhren in die EU nur 14 Prozent. Länder können Zölle nicht nach Belieben festlegen. Die 164 Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) haben sich dafür klare Regeln gegeben. Trump verstößt mit seinen einseitigen Tariferhöhungen auf Importe in die USA gegen diese Regeln.

Die EU, China und andere, die nun mit Gegenzöllen reagieren, bewegen sich im Rahmen des WTO-Regelwerks. Sie wollen die WTO stärken. Trump dagegen will – wie übrigens bereits sein Vorgänger Barack Obama – die WTO schwächen. Das Kalkül: Bei bilateralen Handelsabkommen sind die USA der jeweils stärkere Partner und können ihre Interessen leichter durchsetzen.

Einer fehlte bei dem Tête-à-tête der deutschen Automanager mit dem US-Botschafter: der Vorstandsvorsitzende der Audi AG, Rupert Stadler. Er sitzt wegen der Dieselaffäre in Untersuchungshaft. Gegen etliche weitere Spitzenmanager wird wegen manipulierter Abgaswerte ermittelt. Die Angelegenheit ist für die Branche noch lange nicht ausgestanden. Trumps Handelskrieg trifft sie zu einem ungünstigen Zeitpunkt. In Hamburg sind erste Fahrverbote verhängt worden, wenn auch sehr eingeschränkt, in Stuttgart werden sie wahrscheinlich ab 2019 für ­ältere Dieselfahrzeuge eingeführt. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) geht davon aus, dass auch in etlichen Städten Nordrhein-Westfalens Fahrverbote kommen werden.

Allerdings kaufen in Deutschland Hunderttausende Kunden weiterhin Dieselfahrzeuge. Die Neuzulassungen von PKW sind im ersten Halbjahr um drei Prozent auf 1,84 Millionen gestiegen, immerhin noch ein Drittel davon waren Dieselfahrzeuge. Vor wenigen Jahren noch hatte jeder zweite neu zugelassene PKW einen Dieselmotor. Sollten tatsächlich Fahrverbote durchgesetzt werden, dürfte der Absatz einbrechen – und dann wird sich rächen, dass die deutschen Autohersteller noch immer nicht auf umweltschonendere Produkte wie gute Elektrofahr­zeuge umstellen.