Homöopathie lag lange Zeit im Trend, doch die Umsätze gehen zurück

Globuli und getrocknetes Maulwurfsfell

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Für die Krankenkasse ist Homöopathie schlicht ein Mittel, um Kunden zu werben: Die Kosten sind überschaubar, die Anhänger der Homöopathie überdurchschnittlich gesundheitsbewusst und daher auch weniger teuer als ­andere Versicherte. Dann ist da noch das Tonnendenken: Viele Kunden ­suchen sich ihre Krankenkasse nach der Größe des Angebots aus und ­achten nicht auf dessen Sinnhaftigkeit.

Homöopathie macht sich da gut, um ­Kunden zu ködern. Es ist wie bei den SUVs. Niemand braucht einen Geländewagen, um zum Supermarkt zu fahren, aber zu wissen, man könnte, wenn man wollte, mit ihm auch die Sahara durchqueren, gibt ein gutes Gefühl.

Robert Jütte ist Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert-Bosch-Stiftung. Er sieht weitere Gründe, warum Homöopathie nach wie vor in Mode ist. »Nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit zeigen Umfragen, dass Patienten mit der Homöopathie zufrieden sind und mehr Wert auf positive Erfahrungsberichte legen als auf wissenschaftliche Forschung, die zum großen Teil von der Pharmaindustrie gesponsert wird«, sagte er der Jungle World. »Außerdem lassen die Fortschritte der Medizin, insbesondere im Bereich der chronischen Erkrankungen, noch zu wünschen übrig ist, was die Offenheit der Patienten für Alternativen erklärt.« Dabei ist klar: Indivi­duelle Erfahrungen für sich genommen besitzen keine wissenschaftliche Aussagekraft.

Natalie Grams hat jahrelang als Ärztin und Homöopathin gearbeitet. Dann brach sie mit der Glaubensmedizin und schockierte die Zuckerkügelchenszene mit ihrem 2015 erschienenen Buch »Homöopathie – neu gedacht«, in dem sie die Homöopathie als Irrlehre entlarvte. Sie betreibt das »Informationsnetzwerk Homöopathie« und gehört zu den schärfsten Kritikern der Lehren Hahne­manns. Selbst die enge Bindung zwischen homöopathischem Arzt und Patient – Homöopathen bekommen von den Krankenkassen längere Gesprächszeiten finanziert als Ärzte – betrachtet sie mittlerweile kritisch.

Der Jungle World sagte sie: »Früher sah ich die Zeit und die intensive Zuwendung von ­Homöopathie zu ihren Patienten durchweg positiv. Heute sehe ich ein, dass hier auch Manipulation und patriarchalische Entscheidungen passieren. Was der Homöopath sagt, muss getan werden, sonst ist der Patienten nachher noch selbst schuld, wenn es nicht besser wird. Da ist viel Druck da. Und auch viel Küchenpsychologie.« Wenn sie als Ärztin bei einer bakteriellen Blasen­entzündung viel Zeit für ihren Patienten aufwende, nachher aber kein Anti­biotikum verschreibe, das die Bakterien abtötet, habe sie ihre Zeit nicht gut ­genutzt. Mehr Zeit zum Reden allein helfe nicht: »Normale Ärzte müssten erst besser in Gesprächskompetenz ausgebildet werden, um mehr Zeit auch besser nutzen zu können. Allerdings bräuchte es dann auch andere Praxisstrukturen, denn wer versorgt die anderen Patienten, während sich der Arzt für einen Zeit nimmt? Letztlich sind Empathie und Menschlichkeit wohl auch keine Frage der Zeit.«

Nicht nur Ärzte wie Grams sind skeptisch geworden, auch bei Patienten wächst das Misstrauen: Die Umsätze homöopathischer Mittel sind 2017 in den Apotheken um zehn Prozent zurückgegangen. Der Münsteraner Kreis, ein Zusammenschluss von Medizinern und Medizinerinnen, bezeichnete im vergangenen Jahr die Homöopathie als eine unwissenschaftliche Heilslehre und forderte die Streichung des Begriffes Homöopathie im Zusammenhang mit der Berufsbezeichnung Arzt.

Grams warnt jedoch vor zu großen Hoffnungen auf ein Ende des Homöopathietrends: »Wir dürfen hier nicht den beliebten Denkfehler der Homöopathie machen und Korrelation mit Kausalität verwechseln.

Vielleicht sinken die Umsätze mit Homöopathie ­einfach nur zufällig oder weil nach dem langen Aufwärtstrend natürlicher­weise ein Absinken kommen muss. Tatsache ist aber auch, dass die Homöopathie in den letzten drei Jahren zunehmend kritisch besprochen wurde – und das kommt bestimmt bei den Menschen an. Wir müssen beobachten, ob wirklich eine Trendwende beginnt.«