Seit 25 Jahren hat Kuba zwei Währungen, doch das könnte sich bald ändern

Harter Peso, weicher Peso

Seite 2 – 30 Flaschen Bier für den Monatslohn


An diesen Problemen hat sich wenig geändert, denn auch 20 Jahre später können die Angestellten des Staats von ihrem Lohn wenig kaufen. Für das Durchschnittsgehalt von gut 700 Peso Nacional erhält man 30 Flaschen Bier oder knapp zwölf Flaschen Speiseöl. Nicht eben viel, was dem schwarzen Humor, der auf der Insel weit verbreitet ist, Nahrung gegeben hat. »Der Staat tut so, als ob er uns bezahlt, und wir tun so, als ob wir arbeiten«, ist wie einst in der DDR einer der gängigen Sprüche auf der Insel zu diesem Thema. Schwund in den staatlichen Betrieben ist ein immenses Problem, Rohstoffe und vieles mehr werden »sozialisiert«. Seinen Anteil nehmen, heißt das auf Kuba, denn schließlich gehöre ja alles allen.

So ist es um die Produktivität der kubanischen Wirtschaft alles andere als gut bestellt. Zudem wandern die Qualifizierten ins Ausland oder in den privaten Sektor ab, den es seit 1993 gibt und der 2010 mit einer neuerlichen Deregulierung an ökonomischer Relevanz zunahm.

Derzeit arbeiten ­offiziellen Zahlen zufolge 591 000 Menschen mit ­einer Lizenz zur »Arbeit auf eigene Rechnung«, wie es in Kuba heißt. 13 Prozent der kubanischen Wirtschaftsleistung gehen Schätzungen zufolge auf private Unternehmen zurück und dort arbeiten oft Hochqualifizierte. Zimmervermieter mit einem Universitätsabschluss in marxistischer Wirtschaftstheorie gibt es ebenso wie Atomphysiker, die ein Taxi durch Havanna lenken, oder Ärzte, die ein paladar, ein Privatrestaurant, betreiben. Alles andere als untypische Karrieren in Havanna, Santiago de Cuba oder Santa Clara und ein Faktor, der die staatliche Infrastruktur genauso schwächt wie die Abwanderung in die USA oder andere Länder, so der Ökonom Omar Everleny Pérez.

Jahrelang drehte sich in Kuba alles um den Wechselkurs – wie viele Pesos Nacionales soll man für einen kon­vertiblen Peso bekommen? Mit einem Kurs von 5:1 wurde in Bayamo, im ­Osten der Insel, experimentiert, mit einem Kurs von 9:1 auf der Insel der Jugend. Es gibt Landwirte, die beispielsweise Restaurants oder Hotels mit Gemüse zu einem Kurs von 9:1 beliefern, während in staatlichen Unternehmen oft das Verhältnis 1:1 gilt. Solche Unterschiede sind oftmals ökonomisch kontraproduktiv.

Das ist auch auf politischer Ebene unbestritten und bereits 2011 wurde die Währungsreform in den Katalog der Reformmaßnahmen aufgenommen, den der PCC auf dem damaligen ­Kongress beschloss. Realisiert werden sollten sie bis Ende 2015, doch wurde das »wichtigste ungelöste Problem Kubas«, so Raúl Castro, verschleppt.

Mitte März 2018 kursierten Gerüchte auf der Insel, dass die Währungs­reform nun kommen werde. Kubaner, die ihre Peso Convertible in Peso ­Nacional tauschten, gebe es zuhauf, so der emeritierte Sozialwissenschaftler Esteban Morales. Auch im »Mejunje« wollen die Bartender möglichst wenig Wechselgeld in konvertibler Währung, um keinen Verlust beim Einwechseln zu riskieren. Denn das einzige, was ­sicher ist, ist, dass der Peso Nacional bleiben soll.

 

Überfällige Währungsreform

Seit dann noch europäische Analysten im April dieses Jahres auf die Insel reisten, um festzustellen, wie man den Kubanern bei der Währungsreform helfen könne, scheint klar, dass es einen echten Anlauf geben könnte, um das System der doppelten Währung zu beenden. Ein weiteres Indiz dafür ist die Ernennung von Alejandro Gil Fernández zum neuen Wirtschaftsminister am 21. Juli.

Mit der Währungsreform sind aber auch Befürchtungen verbunden, vor allem die, dass sie eine Pleitewelle im staatlichen Sektor auslösen und Abertausende von Kubanern und Kubanerinnen den Arbeitsplatz kosten könnte. Diese Befürchtung sei zwar nicht un­realistisch, so der kubanische Ökonom Pavel Vidal, der im kolumbianischen Cali lehrt, aber planlose Improvisation wie in den vergangenen Jahren sei keine Alternative. Nicht nur, weil die sozialen Problem in Kuba immer drängender werden, etwa die chronisch unterfinanzierten Rentenkassen in einer älter werdenden Gesellschaft. Immer mehr Rentner verkaufen Zeitungen oder sammeln Dosen, um ihre Rente aufzubessern.

Die Bekämpfung der Armut, da sind sich kubanische Ökonomen sicher, falle mit einer dynamischen Wirtschaft deutlich leichter. »Wachstumsquoten oberhalb der vier Prozent sind nötig, um bessere Stellenangebote für die jüngere Generation zu kreieren und die Sozialsysteme über Wasser zu halten«, argumentiert Omar Everleny Pérez, der früher im Studienzentrum der kubanischen Wirtschaft (CEEC) arbeitete und mittlerweile als freier Analyst tätig ist. Zudem stehe die doppelte Währung auch der effektiven Messung der ökonomischen Leistung im Wege – gute Argumente für eine überfällige Währungsreform, auf die nicht nur der »Mejunje«-Direktor Ramón Silverio hofft. Er hat sich gerade eine kleine Auszeit von der Arbeit ­gegönnt, sitzt oben im ersten Stock auf einem Balkon und blickt nachdenklich auf die tanzende Menge im Innenhof des Kulturzentrums.