Es gibt keinen »richtigen« Umgang mit Tod und Trauer

Nur der Tod ist egalitär

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Daran hat sich in den letzten 25 Jahren zum Glück einiges verändert, auch wenn dafür manche Widerstände überwunden werden mussten. Obwohl bereits 1967 in England das erste Hospiz nach derzeitigem Verständnis gegründet wurde, ist in der Bundesrepublik erst seit den neunziger Jahren ein nennenswertes Netz an Einrichtungen der Hospiz- und Palliativversorgung entstanden. 2016 zählte der Deutsche Hospiz- und Palliativerband bundesweit immerhin 234 stationäre Hospize für Erwachsene, 14 Kinderhospize und über 304 Palliativstationen von Krankenhäusern sowie 1 500 ambulante Einrichtungen. In den pflegerischen Berufen wird die Pflege und angemessene Begleitung unheilbar Erkrankter und Sterbender immer mehr als Teil des Berufsbilds anerkannt.

Zusatzqualifikationen wie »Palliative Care«-Ausbildungen gehören mittlerweile zum Leitbild von Krankenhäusern und Pflegeheimen.
Auch im Bestattungsgewerbe findet langsam ein Wandel statt (siehe Seite 5). Die Zeit zwischen Tod und Bestattung ist nicht mehr die abgeschlossene Sphäre von professionellen Bestattungsabläufen, sondern ein gemeinsam gestalteter Prozess des Verstehens, Annehmens und Begreifens. Angehörige und Zugehörige bekommen zum Beispiel die Chance, sich an der Versorgung der Toten zu beteiligen und Abschied zu nehmen, ohne die nicht das beginnende Vergehen der Toten zu verleugnen. Der Tod ist ein nicht wiedergutzumachendes Unglück, aber in jedem Unglück können Anteilnahme, Begreifen und Rituale helfen, das Unannehmbare erträglicher zu machen. Die Trauer, die Verlusterfahrung, all das verlangt Antworten, die es nicht wirklich gibt. Auch im Bereich der Trauerarbeit haben sich in den vergangenen 20 Jahren vielfältige Angebote und Initiativen gegründet. Basierend auf den grundlegenden Theorien zur Trauerbewältigung von Elisabeth Kübler-Ross, Yorick Spiegel und Verena Kast gibt es diverse Angebote zur Unterstützung der Trauerarbeit. Dazu zählen Selbsthilfegruppen wie institutionalisierte Angebote und eine mittlerweile umfangreiche Literatur.

Eine wichtige Botschaft all dieser Institutionen und Ratgeber: Trauer ist kein behandlungsbedürftiges Problem, sondern eine natürliche Reaktion. Trauer ist ein individueller Prozess, in dem sich gutgemeinte schlechte Ratschläge – wie etwa sich mal einfach zusammenzureißen, weil das Leben schließlich weitergehe – verbieten. Und schließlich können sich viele Konflikte und Zerwürfnisse der Vergangenheit nach dem Tode eines Menschen in Familien und Freundeskreisen heutzutage bewältigen lassen, seit man weiß, dass Kinder und Jugendliche auf ihre Art trauern und dass Frauen anders trauern als Männer. Die Strategien der Trauerbewältigung folgen in vielen Fällen tradierten geschlechtspezifischen Rollenmustern. Während Männer sich nach außen häufig rational und kontrolliert geben, artikulieren Frauen ihre Gefühle, schämen sich nicht ihrer Tränen und suchen das Gespräch über ihre Verlusterfahrung. Nicht wenige Eltern scheitern an diesem unterschiedlichen Umgang mit der Trauer über ein verstorbenes Kind.

Doch die vielfältigen Beratungsmöglichkeiten und Unterstützungsangebote bieten die Chance, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass es keinen einheitlichen Maßstab für den einen richtigen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer gibt. All die positiven Entwicklungen scheitern jedoch oft an der sorglosen Ahnungslosigkeit der Leute, die sich für unsterblich halten. Zwar sind sich viele der Möglichkeit bewusst, die Grenzen medizinischer Therapie vor dem Ernstfall in Patientenverfügungen zu klären. Aber eine Regelung, wer nach dem eigenen Tod eigentlich die Dinge regeln soll, treffen die wenigsten. Wer mit der eigenen Herkunftsfamilie gebrochen hat und in einer Partnerschaft ohne Trauschein lebt, weiß möglicherweise nicht, dass im Falle des Todes allein die Familie über die Bestattung entscheidet, wenn eben nichts anderes festgelegt ist. Denn die sogenannte Bestattungspflicht liegt grundsätzlich bei der Familie oder den Ehepartnern. Ohne Vollmachten haben Mitbewohner oder Lebenspartner keine Rechte. Da können Familien etwa mit einer kirchlichen Trauerfeier späte Rache für die Lebensentwürfe ihrer Kinder üben auf Kosten der Punker-WG oder eines linken Kollektivs. Wenn man sterben möchte, wie man gelebt hat, dann sollte man auch regeln, was nach dem eigenen Tod passieren soll. Wem das egal ist, der sollte daran denken, dass die Hinterbliebenen eine Chance haben sollten, zu trauern und Abschied zu nehmen. Emanzipatorische Vorstellungen für das Leben sollten auch den Tod mit in den Blick nehmen.