Der Protest von US-Football-Spielern gegen Rassismus

Patrioten stehen, Patrioten knien

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In der Öffentlichkeit sind Fragen rassistischer Diskriminierung allerdings der Diskussion über patriotische Gesinnung gewichen. Die Debatte kreist mittlerweile vor allem darum, ob es »antipatriotisch« sei, während der Hymne zu knien. Die Befürworter der Protestpose argumentieren dabei auf derselben Ebene wie ihre Gegner: Es sei patriotisch, sich kniend für Gerechtigkeit einzusetzen. So wird zwar ausgiebig über die Kniefälle diskutiert wird, Probleme wie Polizeigewalt, Armut und geringere Aufstiegschancen für Schwarze bleiben aber häufig unerwähnt.

Dabei haben die Spieler genügend Anlass zum Protest: Einer Studie der Universitäten Harvard und Stanford vom März zufolge besteht für männliche Schwarze, die in wohlhabenden Familien aufwachsen, eine weitaus größere Wahrscheinlichkeit als für Weiße aus vergleichbaren Verhältnissen, im Erwachsenenalter einen sozialen Abstieg zu erleben. Eine Untersuchung der David Geffen School of Medicine an der University of California in Los Angeles vom Mai ergab, dass Polizisten in den USA 2015 und 2016 überproportional viele junge Männer erschossen, von denen wiederum überproportional viele Nichtweiße waren. Zudem lag der Studie zufolge die Rate der durch Polizeigewalt getöteten Schwarzen bei 7,2 Personen pro einer Million Einwohner, bei Weißen bei 2,9, wobei 62 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung weiß sind.

Die Ansichten von schwarzen und weißen Amerikanern zum Hymnenprotest unterscheiden sich. Umfragen zufolge lehnen weiße NFL-Fans die Kniefälle mehrheitlich ab, während schwarze sie mehrheitlich begrüßen. Auch ein weiterer Aspekt ist auffällig: Alle Vereinsbesitzer sind Weiße, dafür sind 70 Prozent der Spieler schwarz. Als Reaktion auf die Kniefälle und die Debatte engagieren sich etliche NFL-Spieler mittlerweile für soziale Projekte in mehrheitlich von Schwarzen bewohnten Gegenden. Auch prominente Basketballspieler wie LeBron James unterstützen solche Initiativen.

Die NFL-Leitung hat Jerry Jones, dem Besitzer der Dallas Cowboys, Ende Juli Redeverbot zum Thema erteilt. Der Schaden aber ist angerichtet, daran können auch Maulkörbe nichts mehr ändern. Und er trifft die NFL, der ohnehin der Zuschauerschwund, die Klagen sexuell belästigter Cheerleader, die beinahe dikta­torischen Praktiken mancher Franchise-Besitzer und ein twitternder Trump zu schaffen machen.

Kareem Abdul-Jabbar formulierte es so: »Ihr habt an einer historischen Schwelle gestanden und hattet die Aufgabe, zu entscheiden, ob ihr die Grundsätze der US-Verfassung anstelle kommerziellen Profits wählen möchtet, Patriotismus statt Begünstigung, Moral statt Mobmentalität, soziale Gerechtigkeit statt Bierverkäufe. Leider habt ihr gekniffen. Mut wird anscheinend nur von Spielern erwartet.« Die Stimmung zum Saisonbeginn ist denkbar schlecht. Am 6. September sollen die ersten Spiele stattfinden.