Bei den Wahlen in Schweden könnten die Rechtspopulisten zweitstärkste Kraft werden

Rote Häuschen, rechte Populisten

Am 9. September wird in Schweden gewählt. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten stehen in Umfragen derzeit an zweiter Stelle. Umkämpft ist vor allem die bürgerliche Mitte.

Unter Deutschen, Linken und deutschen Linken galt Schweden lange Zeit als eine Art Traumland. Weite Wälder, rote Häuschen, Wohlfahrtsstaat. Ein Land der Freiheit und Sozialdemokratie. Wenn am 9. September die vorläufigen Endergebnisse der schwedischen Parlamentswahl verkündet werden, wird dieses Bild wohl einen Kratzer bekommen. Umfragen zufolge könnten die regierenden Sozialdemokraten nämlich mit etwa 23 Prozent der Stimmen ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten erzielen. Ihr Koalitionspartner, die Grünen, käme derzeit nur knapp über die Vier-Prozent-Hürde. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD) könnten dagegen mit über 20 Prozent der Stimmen die zweitstärkste, vielleicht sogar die stärkste Fraktion im schwedischen Reichstag werden. Für eine Partei mit Wurzeln im Neonazimilieu der achtziger Jahre, die noch beim Parlaments­einzug 2010 von den meisten Wählern und allen etablierten Parteien als Extremistentruppe verschmäht wurde, wäre das ein großer Erfolg.

Die Chancen einer Regierungsbeteiligung der Schwedendemokraten sind zwar gering und für deren Forderung nach einem Referendum über den EU-Austritt gibt es keine Unterstützung. Alle anderen Parteien, inklusive der aus konservativen Moderaterna, Liberalerna und Zentrumspartei bestehenden bürgerlichen Opposition, lehnen eine Koalition mit den Rechtspopulisten bislang ab, obwohl sich die Schwedendemokraten unter Führung des 39jährigen Jimmie Åkesson seit Jahren um Abgrenzung zu den offen rassistischen Strömungen ihrer Bewegung bemühen. Diese Distanz der anderen Parteien zu den Rechtspopulisten steht im Gegensatz zur Entwicklung in den skandinavischen Nachbarländern, wo es solche Koalitionen seit Jahren gibt.

Ein bedeutender Teil derjenigen Wählerinnen und Wähler, die nun den Schwedendemokraten ihre Stimme geben wollen, wählte früher sozialdemokratisch.

Allerdings hat sich die schwedische Politik in vielen Bereichen bereits nach rechts bewegt. Beim Thema Migration kam die Wende nach der sogenannten Flüchtlingskrise. Nach überschwänglichen Willkommensreden im Herbst 2015 schwenkte die rot-grüne Regierung schon bald um und setzte viele Forderungen der SD durch: Grenzkontrollen, befristete Aufenthaltsgenehmigungen und begrenzter Familiennachzug. In anderen Politikbereichen erfolgte der Rückzug der Sozialdemokratie aber schon viel früher. In den neunziger Jahren hielt der Wirtschaftsliberalismus auch in Schweden Einzug – nicht zuletzt unter sozialdemokratischen Regierungen. Im Zuge von Privatisierung und Sozialabbau haben sich die Klassenunterschiede seitdem entsprechend verschärft.

Auch wenn der direkte Effekt eines Wahlerfolgs der Schwedendemokraten nicht überschätzt werden sollte, wird die kommende Wahl wohl zu einem Umbruch in der schwedischen Politik führen. Schweden wird sich zwar nicht über Nacht von einem sozialdemokratisch geprägten Land in eine Hochburg der Rechten verwandeln. Was sich aber abzeichnet, ist ein Ende des »postpolitischen« Stillstands, der das Land seit Jahren beherrscht; der Streit über ideologische, auch wirtschaftliche Grundsatzfragen wird wieder ausgetragen. Es wäre falsch, den Erfolg der Schwedendemokraten auf einen reaktionären Reflex einer im Grunde rassistischen Bevölkerung zu reduzieren. Es geht bei dieser Wahl entgegen allem Anschein nicht allein und nicht einmal primär um Migration. Für die Wählerinnen und Wähler entscheidend ist einer Umfrage des Schwedischen Radios vom Mai zufolge die Krise im Gesundheits- und Pflegesystem.

Die Schwedendemokraten begründen ihre nationalistische Politik in der Regel mit dem angeblich durch Migranten verursachten Verfall des Sozialstaats. Hierbei ist natürlich nicht nur dieser herbeiphantasierte Kausalzusammenhang falsch, sondern auch die Selbstdarstellung der Schwedendemokraten als Rächer der Ausgegrenzten. Das Programm der Partei ist nämlich wirtschaftsliberal. Erfolgreich ist diese Selbstvermarktung trotzdem, und viele derjenigen Wählerinnen und Wähler, die nun den SD ihre Stimme geben wollen, wählten früher sozialdemokratisch.