უცხოეთი - Die extreme Rechte sieht sich durch die Ereignisse in Sachsen gestärkt

Eskalation mit Ansage

Die extreme Rechte sieht sich durch die jüngsten Ereignisse in Chemnitz bestätigt. Die Landesregierung zeigt sich im Umgang mit dem Rechtsextremismus weiterhin gespalten.

Wer in den vergangenen Tagen in Chemnitz unterwegs war, konnte die Anspannung spüren. Die Stadt steht im Fokus der internationalen Öffentlichkeit und wurde innerhalb kürzester Zeit zum Inbegriff des Rassismus und Rechtsextremismus in Ostdeutschland und vor allem in Sachsen.

Ende August hatten mehrere Männer einen 35jährigen Chemnitzer mit Messerstichen auf offener Straße getötet und zwei weitere Personen schwer verletzt. Bei den festgenommenen Tatverdächtigen soll es sich um einen Iraker und einen Syrer handeln, aber die Identität der beiden ist nicht restlos geklärt. Bei einem dritten Tatverdächtigen handelt es sich um einen Asylsuchenden aus dem Irak. Rechtsextreme Gruppen waren am Tag nach der Tat durch die Stadt gezogen und hatten in mehreren Fällen Menschen rassistisch beschimpft und durch die Straßen gejagt. Während einer Demonstration von mehreren Tausend Menschen hatten etliche Teilnehmer den Hitlergruß gezeigt, die ­Parole »Deutschland den Deutschen, Ausländer raus« wurde lautstark gebrüllt.

Der antifaschistische und zivilgesellschaftliche Widerstand ist außerhalb von Leipzig schwach aufgestellt.

Fragt man Bürger, sind sie entweder aufgebracht und berichten, dass ihre Stadt zu Unrecht als braunes, gewalttätiges Nest dargestellt werde, oder sie sind bestürzt, dass in ihrer Stadt Menschen durch die Straßen gejagt wurden. So ist es kein Wunder, dass dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) und der Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) bei ihrem »Sachsen-Gespräch« am vergangenen Donnerstag vor allem Lärm entgegenschlug. Während beide in ihren Begrüßungsreden noch sagten, dass es keine Entschuldigung dafür geben könne, sich mit organisierten Neonazis und rechtsextremen Hooligans auf der Straße gemein zu machen, konnten sie es im Laufe des Abends nicht unterlassen, denjenigen, die am lautesten schrieen, ­entgegenzukommen. Eine Teilnehme­rin bedankte sich beispielsweise bei Kretschmer dafür, dass er sie nicht als rechts bezeichnet habe, obwohl sie mit Leuten zusammen auf die Straße gegangen sei, die den Hitlergruß gezeigt und »Ausländer raus« gebrüllt hatten.

Der Umgang der politisch Verantwortlichen in Sachsen mit dem Rechtsextremismus hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Spätestens seit Pegi­da in Dresden 20 000 Menschen auf die Straße brachte und die Fremdenfeindlichkeit in den Dresdner Vororten Heidenau und Freital eskalierte, war es nicht mehr möglich, das Problem völlig zu leugnen. Nachdem die Bilder von den rassistischen Ausschreitungen in Clausnitz um die Welt gegangen waren, gestand der damalige Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) in einer Regierungserklärung Fehler – auch seiner Partei – ein und brachte als erster Regierungschef in der Geschichte Sachsens das Wort »Rassismus« über die Lippen.

Die Auseinandersetzung mit dem Thema ist in dem Bundesland seitdem ernsthafter und die Worte der Abgrenzung sind deutlicher geworden. Die CDU bleibt jedoch als letzte verbliebene »Volkspartei« in Sachsen in der Frage gespalten. Um seinen Landesverband trotz der Diskrepanzen unter Kontrolle zu halten, kann Kretschmer die öffent­liche Distanzierung von rechtsextremen Demonstrationen und seine derzeitige Absage an eine Koalition mit der AfD nicht durchhalten, ohne zugleich Forderungen der AfD aufzugreifen und Pe­gida nach dem Mund zu reden. Dass so seine Glaubwürdigkeit verloren geht, könnte sich spätestens bei der nächsten Wahl des sächsischen Landtags im September 2019 offenbaren. Jüngsten Umfragen zufolge steht die AfD in Sachsen derzeit bei 25 Prozent. Viele Vertreterinnen und Vertreter der sächsischen Zivilgesellschaft und von Migrantenorganisationen kritisierten vorige Woche, dass es nach wie vor an einer klaren politischen Haltung fehle, die sich deutlich auf die Seite der Menschenrechte und der von Rassismus Betroffenen stelle.