Nicht nur das Dresdner Fußballstadion trägt den Namen eines NSDAP-Mitglieds

Dresden feiert Nazi-Comeback

Seit dem 18. September heißt die Spielstätte von Dynamo Dresden wieder Rudolf-Harbig-Stadion. Die Mehrheit der Fans wollte es so, obwohl Harbig Mitglied von NSDAP und SA gewesen war. Die einzige politisch empörende Namensgebung eines Fußballstadions ist das allerdings nicht.

Das im September 2009 mit einem Freundschaftsspiel gegen den FC Schalke 04 eröffnete neue Stadion von Dynamo Dresden hatte in seiner kurzen Geschichte schon viele Namen: Anfangs hieß es, wie schon die Vorgängerarena zu DDR-Zeiten, Rudolf-Harbig-Stadion. Ab 2010 wurde es nach dem Sponsor Glücksgas benannt, dann von 2014 bis 2016 als Stadion Dresden tituliert und bis zur diesjährigen Umbenennung firmierte es nach der Verlagsgruppe, die die Sächsische Zeitung herausgibt, als DDV-Stadion. Im August erwarben die Konsum Dresden eG und die Stadtwerke Dresden die Namensrechte und ließen die Fans vom 23. bis zum 31. August zwischen den beiden Vorschlägen »Dynamo-Stadion« und »Rudolf-Harbig-Stadion« online entscheiden. 29 512 Menschen beteiligten sich an der Abstimmung, 16 036 stimmten für Rudolf-Harbig-Stadion.

Harbig war ein erfolgreicher Leichtathlet, der als Mittelstreckenläufer mehrere Weltrekorde erzielte. Von 1951 bis 1971 war das damalige Stadion von Dynamo Dresden nach Harbig benannt, dann wurde es in Dynamo-Stadion unbenannt – den Namen trug es dann bis 1990. Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik erhielt es wieder den Namen Rudolf-Harbig-Stadion, den es bis zum Abriss 2007 trug.

Es gab gute Gründe, das Stadion 1971 in Dynamo-Stadion umzubenennen – und dass es die 20 Jahre zuvor nach Harbig benannt war, ist ein Beleg dafür, dass es der DDR mit dem Antifaschismus nicht so ernst war, wie sie immer behauptete: Harbig war 1937 der NSDAP und der SA beigetreten. Im Krieg diente er bei den Fallschirmjägern, einer Elitetruppe, der nur Freiwillige angehörten. Die 2. Fallschirmjäger-Division, bei der Harbig war, wurde im März 1944 in der Sowjetunion von den Truppen der 1. Ukrainischen Front unter Marschall Georgij Schukow vernichtet. Harbig gilt seitdem als gefallen, seine sterblichen Überreste wurden nie gefunden.
Dass ein Nazi nun wieder der Namenspatron für das Stadion ist, wurde nach der Abstimmung nicht weiter thematisiert. Zwar hätten sich einige Fans gewünscht, das Stadion des Zweitligisten wäre wieder nach dem Verein benannt worden, aber die meisten waren zufrieden mit der Entscheidung.

1993 benannte Chemie Leipzig sein Stadion nach Alfred Kunze, einem NSDAP-Mitglied. Zuvor hatte es den Namen des ermordeten Widerstandskämpfers Georg Schwarz getragen.

Unter den wenigen Stadien, die noch nicht nach Sponsoren benannt sind, kommen Nazis als Namensgeber nicht selten vor: Der Regionalligist 1. FC Schweinfurt spielt im Willy-Sachs-Stadion, dessen Namensgeber den Bau einst sponserte und zu dessen Einweihung 1936 der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, der Reichsorganisationsleiter Robert Ley und der Reichsstatthalter von Bayern, Franz Ritter von Epp, kamen. Sachs, Vater des bekannten Jetsetters Gunter Sachs, war SS- und ­NSDAP- Mitglied und gehörte zum »Freundeskreis Reichsführer SS«. 2001, der 1. FC Schweinfurt war in die 2. Liga aufgestiegen, wurde bundesweite über den Namen diskutiert – aber die Schweinfurter wollten ihn auch dann nicht ändern, als der damalige israelische Meister Maccabi Haifa sich anlässlich eines Freundschaftsspiels weigerte, in der Arena zu spielen.

Das Stadion des Oberligisten Chemie Leipzig ist nach Alfred Kunze benannt, einem erfolgreichen Leipziger Trainer aus DDR-Zeiten, der 1937 der NSDAP beigetreten war. Nach ihm ist das Stadion erst 1993 benannt worden – zuvor hatte es den Namen von Georg Schwarz getragen, einem Widerstandskämpfer, der im Januar 1945 von den Nazis ermordet worden war.
Ob eine Spielstätte nach einem Nazi benannt ist, scheint vielen Vereinsanhängern nicht allzu wichtig zu sein. Die Wahrung von »Tradition« steht im Vordergrund. »Von der Idee, unsere Fans, die Dresdner, all unsere Anhänger über den Stadionnamen abstimmen zu lassen, war ich von Anfang an begeistert. Dieses Fan-Voting gibt uns die Chance, unsere Tradition mit einem weiteren, sichtbaren Puzzlestück nach außen zu tragen«, lässt sich Ralf Minge, Dynamo Dresdens Geschäftsführer Sport, auf der Website zitieren, auf der die Abstimmung lief. Um was für eine Tradition es dabei geht, scheint nicht so wichtig zu sein, Hauptsache, man distanziert sich von den vielen Stadien und Arenen, die nach einem Sponsor benannt sind.

»Wer die Seele eines Fußballclubs verhökert, der verkauft auch seine Großmutter«, lautet eine unter Fußballfans nicht selten geäußerte Meinung und da gilt es schnell als bodenständiger, den Namen eines Nazis zu nutzen als den einer Biermarke, eines Spielzeugherstellers oder einer Versicherung. Im Fall Dresdens zieht allerdings selbst dieses Argument nicht: Mit Dynamo-Stadion stand ein Name zur Wahl, der das Traditionsgefühl bewahrt hätte, ohne einen Nazi zu ehren.

Aber natürlich gibt es auch Namen mit Lokalkolorit und ohne Nazibezug: In Marburg, Offenburg, Hanau und Bayreuth wurden Stadien nach demokratischen Lokalpolitikern benannt. Der einstige Deutsche Meister Dresdner SC, zurzeit Landesklasse Sachsen Ost, spielt im Heinz-Steyer-Stadion, das nach einem 1944 von den Nazis ermordeten kommunistischen Fußballspieler benannt wurde. Der Namensgeber des Paul-Greifzu-Stadions in Dessau war ein Autorennfahrer, der sich während des Zweiten Weltkriegs für die menschenwürdige Behandlung und Unterbringung von Zwangsarbeitern einsetzte und als »Oskar Schindler von Suhl« bekannt wurde.

Das Stadion des FC St. Pauli war von 1970 bis 1998 nach Wilhelm Koch benannt. Der Textilunternehmer war von 1931 bis 1945 und von 1947 bis 1969 Präsident des Vereins. Koch war 1937 Mitglied der NSADP geworden und hatte 1933 mit seinem Geschäftspartner Hugo Scharff das jüdische Handelsunternehmen Arensberg & Sekkel übernommen. Obwohl ein Gutachten ihm bescheinigte, nie als Nazi aktiv gewesen zu sein, wurde das Stadion von den Mitgliedern 1998 in Millerntor-Stadion umbenannt. Auch das ist also möglich.

René Martens gab damals in seinem St. Pauli-Buch den Anstoß zu der Diskussion über Koch. Er schrieb: »Überfällig ist ein neuer Name allemal. Dass ein Stadion, in dem rechtsradikale Äußerungen vorbildlich mit Hausverbot geahndet werden, benannt ist nach einem ehemaligen NSDAP-Mitglied und Nutznießer der Nazi-Politik – das ist ja nun wirklich grotesk.« Die meisten Mitglieder sahen das auch so und am Ende unterlagen die alten St. Paulianer um den ehemaligen sozialdemokratischen Verteidigungsminister Hans Apel. Der FC St. Pauli hatte hingegen die Glaubwürdigkeit gewonnen, ohne die er heutzutage sicher nicht bundesweit so zahlreiche Fans hätte.