Der Aufschwung rechter Parteien in Europa geht mit einem Abbau von Frauenrechten einher

Kinder, Kirche, Keile

Kirchen und rechte Parteien in Europa behindern den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen. Diese härter zu bestrafen, widerspricht ihrer Familienideologie, die auch in Deutschland Popularität gewinnt.

Bis ins Jahr 1997 war in Deutschland Vergewaltigung in der Ehe noch eine vollkommen legale Angelegenheit. Der Staat, so die Begründung, möge seine Nase aus den Betten deutscher Familien heraushalten. Noch im Jahre 1966 hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe befunden: »Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen, zu denen die Unwissenheit der Eheleute gehören kann, versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen.«

Inzwischen ist Vergewaltigung in der Ehe zwar eine Straftat, häusliche Gewalt ist jedoch nach wie vor weit verbreitet. Gewalt findet vor allem in Partnerschaften und Familien statt. Der Kriminalstatistik zufolge werden mehr als 133 000 Erwachsene jährlich Opfer von häuslicher Gewalt. Knapp 82 Prozent der Opfer sind Frauen.

Ein Runder Tisch des Familienministeriums will die Hilfsangebote in diesem Bereich nun erweitern und das »Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt« durchsetzen. Der völkerrechtliche Vertrag aus dem Jahr 2011, auch bekannt als Istanbul-Konvention, sieht vor, dass die Gleichstellung der Geschlechter in den Verfassungen und Rechtssystemen der Unterzeichnerstaaten verankert sein muss.

Der parlamentarische Aufschwung der Rechten in Europa geht mit einem Abbau von Frauenrechten einher.

Viele Länder haben die Konvention zwar unterzeichnet, aber nicht umgesetzt. Vielmehr verhindert der parlamentarische Einfluss verschiedener Rechtsparteien in Europa die Verwirklichung der Übereinkunft. Patriarchale Gewalt ist für Parteien wie die AfD, die italienische Lega, die österreichische FPÖ und den ungarischen Fidesz vor allem dann ein Problem, wenn sie von Migranten ausgeht. Im Zuge dieser Ethnisierung des Themas spielen solche rechten Parteien familiäre Gewalt in Europa herunter. Der Slogan »Rapefugees – not welcome« ist Ausdruck dieses Denkens.

In Österreich forderte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) kürzlich die Landespolizeidirektionen auf, »proaktiv« Pressemeldungen zu verbreiten, wenn im Fall von Sexualstraftaten »zwischen Täter und Opfer keine Verbindung« bestehe, und dabei die Staatsbürgerschaft und den etwaigen Aufenthaltsstatus von Verdächtigen dezidiert zu nennen. Die Zusammenarbeit der österreichischen Polizei mit den Frauenhäusern stellte Kickls Ministerium ein. Frauenhäuser seien »an der nachhaltigen Zerstörung von Ehen und Partnerschaften maßgeblich beteiligt«, konstatierte die Amstettener FPÖ-Stadträtin Brigitte Kashofer bereits 2012.

Auch die AfD beschäftigt sich mit Frauenhäusern. Ein Mitglied der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus reichte zu Beginn des Jahres bei der Senatsverwaltung eine ­detaillierte Anfrage ein, ob die Überbeanspruchung der Frauenhäuser auf geflüch­tete Frauen zurückgeführt werden könne.

Im autokratisch regierten Russland wurde 2017 ein Gesetz erlassen, demzufolge häusliche Gewalt nicht mehr als Straftat, sondern als bloße Ordnungswidrigkeit gilt. Ehefrau oder Kinder zu verprügeln, wird mit maximal 15 Tagen Haft oder einer Geldstrafe zwischen 85 und 470 Euro bestraft. Die russisch-orthodoxe Kirche unterstützt das Gesetz. Körperliche Züchtigung sei »ein wichtiges Recht, das den Eltern von Gott gegeben worden ist«, ließ die Kirche im vergangenen Jahr verlautbaren. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass Russland die Istanbul-Konvention nicht ratifiziert hat.

 

In Bulgarien haben die rechten Parteien mit Unterstützung der orthodoxen Kirche die Ratifizierung eines Gesetzes zu häuslicher Gewalt verhindert; sie sprachen bei dem Gesetzesvorhaben von einem »europäischen Komplott«. Eine Ratifizierung hätte nach Ansicht der Kirche zu einem Zerfall der Moral geführt. Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte gibt an, dass ein Viertel der bulgarischen Frauen 2014 aussagten, Opfer von häuslicher Gewalt gewesen zu sein. Die Dunkelziffer liege weit höher, vermutet die Agentur.

In Rumänien werden Versuche, die Maßstäbe der Istanbul-Konvention durchzusetzen, von rechten Parteien und den Kirchen unterbunden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte rügte das Land im vergangenen Jahr wegen mangelnden Engagements bei der Bekämpfung häuslicher Gewalt. In Polen möchte die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nicht an der natur- und gottgegebenen männlichen Herrschaft über den weiblichen Leib rütteln. Staatspräsident Andrzej Duda hatte im vergangenen Jahr die Regierung dazu aufgerufen, die europäische Konvention, die auch den Ausbau von Hilfsangeboten für Betroffene vorsieht, nicht anzuwenden.
Bis Juli 2013 stellte häusliche Gewalt in Ungarn nicht einmal einen Straftatbestand dar. Trotz der Gesetzesänderung sei das Ausmaß dieser Gewalt gegen Frauen in dem Land weiterhin immens, wie etwa Human Rights Watch feststellte. Nachdem kürzlich ein Flüchtling in Budapest eine Sexualstraftat verübte, wich die Gleichgültigkeit bei dem Thema aber großer Betriebsamkeit: Die Polizei stellte eigens ein Spezialeinsatzkommando auf, alle Medien berichteten über den Fall. Ein Fidesz-Abgeordneter regte sogar an, den Täter zu kastrieren.

Auch in Italien steht es schlecht um Frauenrechte. In Rom droht einer feministischen Institution, der »Casa Internatzionale delle Donne«, die Zwangsräumung. Die Stadtregierung der Fünf-Sterne-Bewegung, will das unabhängige Frauenzentrum nicht mehr dulden, als Vorwand dienen Mietschulden der Einrichtung.

Es ist nicht verwunderlich, dass der backlash gegen Frauenrechte von rechter Seite ausgeht. Er wird mit einer Biologisierung von Geschlecht oder mit christlicher Tradition begründet. Frauen seien von Natur aus dafür gemacht, Kinder zu gebären und aufzuziehen. Aus diesem Grund versuchen Rechte und fundamentalistische Christen auch das Recht auf sichere Schwangerschaftsabbrüche (Jungle World 2018/38) anzugreifen. Die Selbstverwirklichung der Frau verorten »Lebensschützer« in der Pflege und Aufzucht des Lebens, was so viel heißt wie Opferbereitschaft – Hingabe des eigenen Körpers, in dem sich nun mal das heilige Leben fortsetze – für die Gattung oder das Volk. Rechte in ganz Europa attackieren all das, was nicht ihrer Familienideologie entspricht. Sie warnen vor einem die traditionelle Ordnung, Familie und Mutterrolle destabilisierenden Feminismus.

Denn die klassische männliche Vorherrschaft soll aufrechterhalten werden – sei es in den Parlamenten, oder zu Hause, wo man Frau und Kinder notfalls mit Gewalt daran erinnern muss, wer der Herr im Haus ist.