Belgische Zentrifuge
Der erste Blick geht nach Antwerpen. Das ist bei einem guten Teil belgischer und vor allem flämischer Medien eine Gewohnheit geworden, seit dort vor sechs Jahren Bart De Wever das Rathaus übernahm, die Galionsfigur der flämisch-nationalistischen Partei N-VA. De Wever ist einer der mächtigsten und zugleich umstrittensten Politiker des Landes. Dass die N-VA ihren Erfolg von 2012 nahezu wiederholen konnte, trotz ungünstiger Prognosen, ist eines der wichtigsten Ergebnisse der belgischen Kommunalwahlen vom Sonntag. Es unterstreicht die Machtposition der N-VA, an der auch bei den Parlamentswahlen im Mai kein Weg vorbeiführen dürfte.
Der Blick auf Antwerpen hängt auch damit zusammen, dass die Hafenmetropole als politisches Laboratorium des Landes gilt. Für die N-VA in ihrer bisweilen schwierigen Position zwischen dem Anspruch eines unabhängigen Flandern und realpolitischer Regierungsteilnahme in Brüssel ist Antwerpen nicht nur ein Bollwerk, sondern auch ein symbolisch bedeutsames Übungsfeld. Will man die Kommunalwahlen vom Sonntag deuten, bleibt man jedoch noch aus einem anderen Grund an Antwerpen hängen: Das Ergebnis hier ist eindeutig. Im größeren Rahmen betrachtet lieferten die Wahlen einen höchst asymmetrischen Flickenteppich, in dem Trends schwierig auszumachen sind. Auffällig ist jedoch, dass in Flandern sowohl die N-VA als auch die zweitplatzierte christdemokratische Partei leicht verloren hat, ebenso wie die Liberalen und die Sozialdemokraten. Letztere erlitten Niederlagen in mehreren bisherigen Hochburgen, nicht zuletzt in der progressiven Vorzeigestadt Gent.
Zwei Wahlsieger gibt es im niederländischsprachigen Landesteil: die ökologische Partei Groen sowie der rechtsextreme Vlaams Belang, der sich damit einen Teil der zur N-VA abgewanderten Wählerinnen und Wähler zurückholte. Im Städtchen Ninove gewann die von einem Kandidaten des Vlaams Belang angeführte Liste Forza Ninove gar mit 40 Prozent der Stimmen die Wahlen. Eine erste Regierungsbeteiligung des Vlaams Belang ist damit möglich. Einmal mehr fällt ins Auge, dass die Ergebnisse in der frankophonen Wallonie und dem mehrsprachigen Brüssel stark davon abweichen. In der Hauptstadtregion gewann der sozialdemokratische Parti Socialiste (PS) vor der grünen Partei Ecolo, die deutlich an Stimmen dazugewonnen hat. Den stärksten Zuwachs aber verzeichnete die vielfach als linksextrem bezeichnete Arbeitspartei (PTB), die beinahe zehn Prozent der Stimmen gewann.
In wallonischen Städten wie Charleroi, Liège oder Mons verteidigte der PS seine Stellung als stärkste Partei. Doch auch hier legte Ecolo deutlich zu. In einigen Orten gelang das auch dem PTB, so landete er in Charleroi auf dem zweiten Platz. Wenn im Mai 2019 das belgische Parlament gewählt wird, gilt es, diese Entwicklung im Auge zu behalten. Kurioserweise scheint der Stimmenzuwachs für die Grünen die einzige Schnittmenge in der belgischen Zentrifuge zu sein.